Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutland - Von der Leidenschaft gerufen

Blutland - Von der Leidenschaft gerufen

Titel: Blutland - Von der Leidenschaft gerufen
Autoren: Delilah S. Dawson
Vom Netzwerk:
geweckt, von denen ich gar nicht gewusst hatte, dass sie in mir schlummerten. Er gab mir das Gefühl, am Leben und voller Leben zu sein, und seine Welt, so fremdartig sie auch war, ging mir ans Herz. Er hatte nie vorgehabt, mich einzufangen, und ich hatte nie vorgehabt, mich einfangen zu lassen, und doch waren wir nun hier.
    Aber eine Sache hatte er missverstanden, und jetzt hatte ich meinerseits eine Überraschung für ihn.
    Ich entzog mich seinem Kuss und löste mich von ihm mit einem listigen Lächeln.
    »Schließ die Augen«, sagte ich. »Jetzt werde ich Magie wirken.«
    Mit hochgezogenen Mundwinkeln tat er mir den Gefallen, rollte sich auf den Rücken und schloss die Augen.
    Lautlos zog ich mir das Medaillon über den Kopf und versteckte es unter dem Kissen.
    »Wie sieht der Trick aus, Liebes?«, fragte er.
    Ich hob mein Kleid hoch, setzte mich rittlings auf ihn und ließ mich herabsinken, um ihn wieder zu küssen. Langsam knabberte ich mich hoch bis zu seinem Ohr.
    »Ich kann ein Medaillon verschwinden lassen«, flüsterte ich.

43.
    E s gibt immer einen Epilog, nicht wahr?
    Dieses Kapitel, das einem erzählt, was danach passiert ist und die Geschichte mit einer hübschen großen Schleife abschließt.
    Das kriege ich aber nicht hin. Meine Geschichte funktioniert nicht so, alles hübsch und ordentlich. Ich könnte vielleicht eine Art unordentliche Bastschleife hinkriegen, die aussieht wie ein explodierter Heuhaufen, etwa wie das, was meine Nana benutzt, wenn sie Geschenke in Zeitungspapier einwickelt. Oder Bindfaden, die Sorte, die man benutzt, um geheimnisvolle Päckchen in braunes Papier einzuschnüren.
    Aber ich will’s versuchen.
    Ich schlief in dieser Nacht. Richtig, richtig gut. Nach einer Woche ohne Schlaf, aber dafür mit Herumreisen, Hungern und genügend Adrenalinschüben, um einen Polandabären umzulegen, tat es gut, endlich in echten, tiefen Schlaf zu fallen. Falls ich Träume hatte, erinnere ich mich nicht daran. Aber ich erwachte mit einem Lächeln.
    Und neben mir lag ein Bludmann, ein bluttrinkendes Geschöpf aus einer anderen Welt, in der sich die Leute viktorianisch prüde kleideten und sich in pferdelosen Kutschen und U-Booten fortbewegten. Eine Welt, in der der Himmel zu tief hing und die Namen von Dingen gerade so anders klangen, um sie interessant zu machen.
    Ich hatte schon immer farbenfrohe Träume, aber nicht einmal ich hätte Criminy Stain heraufbeschwören können, Magier und König der Fahrenden. Welche Kräfte uns auch zusammengebracht hatten, sie schienen willkürlich und zufällig. Aber jeder von uns fand im anderen dieses schwer fassbare Etwas, den Trieb, der jedes Tier jagen und hoffen lässt.
    Natürlich gab es immer noch viel zu tun. Er musste sich um den Wanderzirkus kümmern, und ich musste in meine Welt zurückkehren, um dort einen Mundvoll Blut hinunterzuschlucken und zu berichten, dass Jonathan Grove, Wohltäter und Prediger, letztendlich seinem Zustand erlegen war. Meine Befürchtungen bezüglich Morduntersuchungen oder Polizeiverhören waren, natürlich, unbegründet. Krankenschwester Carrie löste sich einfach auf im Dunkel der Nacht. Nachdem er fünfundzwanzig Jahre lang das Familienerbe ausgeblutet hatte, war jedermann mehr als bereit anzunehmen, dass er an Altersschwäche oder Komplikationen gestorben war. Eigentlich war es ein Wunder, dass er überhaupt so lange durchgehalten hatte.
    Die politische Situation in Manchester ist noch immer angespannt. Aber ohne Goodwill an der Spitze der zweitgrößten Stadt in Sangland gibt es Hoffnung. Da auch Rodvey tot war, war Ferling der Nächste in der Reihe, und seine Haltung gegenüber den Bludleuten ist spürbar freundlicher. Antonin durfte mit seinem Laden zurück in die High Street ziehen, und die neuesten Zeitungen schreiben, dass Bludleute bald ins Londoner Parlament gewählt werden könnten. In einem Fall behielten die Gerüchte recht – es war die Rede davon gewesen, Manchester in Goodwill umzubenennen, aber daraufhin probten die Bludleute den Aufstand, und die Sache war vom Tisch.
    Während wir über die Insel reisen, lerne ich immer mehr über die Wunder dieser fremdartigen Welt, die die Geschichte, so wie ich sie kenne, wie in einem verzerrten Spiegel zeigt. In Frostland, das in meiner Welt Russland entspricht, herrscht das Bludvolk von einem Eispalast aus, tief in einem verzauberten Wald, über verängstigte Pinkies. In Frankia tanzen farbenprächtige Daimonen in den Cabarets unter der gleichgültigen Herrschaft
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher