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Blutland - Von der Leidenschaft gerufen

Blutland - Von der Leidenschaft gerufen

Titel: Blutland - Von der Leidenschaft gerufen
Autoren: Delilah S. Dawson
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versprochen«, antwortete er.
    Und dann sprang er.

39.
    E in eigenartiges Geräusch, wie von einem Rasenmäher, lenkte meine Aufmerksamkeit von Criminys Sprung ab. Was es auch war, es wurde lauter, und das schnell. Ich schob einen laubbedeckten Ast beiseite, konnte aber nicht sehen, was da kam.
    Criminy landete in der Hocke auf der Erde, schnappte sich das Medaillon und steckte es in seine Westentasche, alles in einer einzigen geschmeidigen Bewegung. Dann sprang er wieder hoch; sein schlanker Körper krümmte sich wie der einer Katze, und seine bloßen Hände suchten Halt an der Rinde des Baumes. Als seine Füße den ersten Ast berührten und er sich weiter nach oben schwang, schlug ein Armbrustpfeil zitternd in den Baumstamm ein.
    Unter uns kam ein Fahrzeug mit drei Reifen schlitternd zum Stehen; ein merkwürdiges Konstrukt, das aussah, wie ein Golfmobil gekreuzt mit einer Skizze von Leonardo da Vinci. Ein Copper in voller Montur saß am Steuer, und Jonah Goodwill war auf dem Beifahrersitz zusammengesackt, eine große Armbrust in den Armen. Ein zweiter Bolzen pfiff durch die Luft und schlug direkt neben Criminys Hand ein, als der Copper sich an dem Schützenfest beteiligte. Criminy zog sich nach oben und kletterte wie ein Eichhörnchen. Als er stehen blieb, zischte Goodwills nächster Bolzen durch das Laub über seinem Kopf. Ich war erstaunt, dass der alte Mann immer noch bei Bewusstsein war, und einen schrecklichen Moment lang schoss mir die Frage durch den Kopf, ob ich mich geirrt hatte. Wenn ich seinen Körper in meiner Welt tötete, dann brachte ihn das hier vielleicht eben doch nicht um. In dem Falle steckten wir in ernsthaften Schwierigkeiten.
    »Ich weiß nicht, was du getan hast«, rief der alte Mann in tiefstem Südstaatenakzent – jedes Vortäuschen von Sang-Kultur war vergessen. »Aber ich werde dich dafür umbringen!«
    »Du musst über diese Mauer«, ächzte Criminy, als er bäuchlings neben meinen Füßen auf dem Ast landete. Er streckte mir seine Hand entgegen, und ich nahm das Medaillon aus seinen schwarz geschuppten Fingern und stopfte es in den engen Halsausschnitt meines Hemdes.
    »Komm weiter«, flehte ich und packte seine Hand, um ihm hochzuhelfen. »Du bist fast oben. Wir schaffen es.«
    Er gab ein trauriges Lachen von sich und schaute nach unten.
    Erst da sah ich den Armbrustbolzen, der seinen Unterschenkel durchbohrt hatte und ihn an den schweren Ast darunter festnagelte.
    »Du schaffst es, Letitia«, sagte er. »Du musst einfach nur über die Mauer kommen und zu Antonin gehen. Ich werde einen Weg finden. Ich werde dich wiederfinden.«
    »Du musst nur noch eine Minute aushalten«, drängte ich verzweifelt; ich war nicht bereit, ihn zurückzulassen. »Der alte Mann –«
    Und dann hörte ich ein thwack , und ein Armbrustbolzen ragte aus seinem Hals.
    Blut spritzte über mein Gesicht und mein Hemd, aber ich stand schon so unter Schock, dass ich das gar nicht registrierte. Seine Augen weiteten sich vor Überraschung. Er sah auf die Metallspitze herab, von der sein Blut tropfte. Dann fiel er langsam nach hinten, beinahe anmutig, bis der Bolzen in seinem Bein den Fall stoppte. Sein Körper drehte sich ruckartig herum und hing kopfüber an dem Bolzen herab.
    Einen kurzen Augenblick lang schwebte er so in der Luft, und sein Haar bewegte sich im Wind. Dann brach der Bolzen ab, und er fiel mit einem hässlich klingenden Plumps auf die Erde.
    Goodwill lachte triumphierend.
    Ich warf einen letzten Blick auf die Freiheit jenseits der Mauer. Nur noch wenige Meter, und ich wäre aus dem Obstgarten heraus und auf dem Weg zum Schneiderladen. Aber ich konnte Criminy nicht verlassen. Also kletterte ich wieder hinunter. Ich rutschte und schlitterte, genauso wie auf dem Weg nach oben, und die Rinde schürfte mir Hände und Handgelenke auf, weil ich die Handschuhe abgezogen hatte, um besser klettern zu können. Ein abgebrochener Ast riss mir die linke Handfläche auf, aber ich bemerkte den Schmerz gar nicht. Ich schwang mich vom niedrigsten Ast herab und landete im Schmutz neben Criminys regloser Gestalt.
    Ich ignorierte Goodwill, drehte Criminy auf den Rücken und bettete seinen Kopf in meinen Schoß – was nicht leicht war, mit dem Bolzenschaft, der zu beiden Seiten aus seinem Hals ragte. Als ich sah, dass er noch atmete, konnte auch ich wieder atmen. Vielleicht war noch immer Zeit, ihn zu retten.
    »Was hast du mit mir gemacht, Kleine?«, fragte Goodwill. Ich konnte das Lallen in seiner Stimme hören, und
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