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Blutkirsche

Blutkirsche

Titel: Blutkirsche
Autoren: Gudrun Weitbrecht
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war also doch nicht Wilma Fiori.“
    „Eigentlich auch logisch“, entgegnete Marco. „Die Fiori hätte sich ja selbst belastet und zugegeben, dass sie während der fraglichen Zeit in der Nähe des Tatorts war. Schon paradox, dass gerade Günther Wöhrhaus den Hinweis auf sie gegeben hat, wo er doch selbst in unserem Visier lag.“
    Ja, aber wahrscheinlich nur, um sich zu entlasten, dachte Anne.
    Sie sah auf die Uhr. „Schon so spät! Los jetzt, auf nach Hause. Sicher wartet dein Baby schon. Wie geht es eigentlich Melanie? Ich bin gar nicht dazugekommen, dich zu fragen.“
    |190| „Geht schon klar, Chefin!“, erwiderte Marco, während er sich anzog. „Wann hätten Sie das auch tun sollen, als Sie gestern so saumäßig schnell gebrettert sind? Oder während wir die Leiche aus dem Frühbeet gebuddelt haben?“
     
    Der Regen hatte aufgehört. Während der Fahrt nach Hause dachte Anne immer wieder an die offenen Fragen im Mordfall Harry Kohl. Auch daran, dass sie noch einige Dinge erledigen musste.

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    |191| 20
    In einem der einundzwanzig Häuser der Weißenhofsiedlung in unmittelbarer Nähe der Staatlichen Akademie der Schönen Künste wohnte Jochen Sommer. Von seinem Schlafzimmerfenster aus konnte er einen Ausblick auf Stuttgart genießen.
    Anne wusste nicht, wie es ihm gelungen war, dieses Domizil zu ergattern, da die Besitzer ihre Häuser und Wohnungen liebten und es kaum zu Neuvermietungen kam. Vielleicht konnte er es von einem verstorbenen Verwandten übernehmen.
    Die Zukunft der ganzen Siedlung stand in den Sternen, da der Bund, dem das Areal gehörte, es loswerden wollte. Bisher hatte Stuttgart nur ein Doppelhaus erworben, dort war im Augenblick das Weissenhofmuseum untergebracht.
    Jochens Haus – im Jahr 1921 im Bauhausstil − unter der Leitung von Walter Gropius und Mies van der Rohe erstellt, passte zu ihm. Er erwies sich trotz seines konservativen Äußeren als kreativer und spontaner Mann und hatte ihr einmal erzählte, dass er gerne an ungewöhnlichen Orten wohnen würde. Wie in einem der vierzehn Kavaliershäuser, die neben dem Schloss Solitude gelegen und die in unmittelbarer Nähe der Villa des Ministerpräsidenten des Landes standen. In die, im Rokoko von Herzog Karl Eugen von Württemberg zusammen mit dem Schloss erbauten Kavaliershäuser einzuziehen, sei aber unmöglich, ja aussichtslos, da das Land sie nur an Persönlichkeiten von Theater und Oper oder an hohe Beamte vermietet. Zudem wurden gerade zwei der historischen Gebäude abgerissen und originalgetreu wieder aufgebaut, aber die Namen der zukünftigen Mieter vom Finanzministerium geheim gehalten. Sicher bekommt den Zuschlag wieder einer mit Vitamin B, hatte Jochen spöttisch bemerkt.
    Seine nächste Wahl würde auf ein Baumhaus im Regenwald von Amazonien fallen. Aber dies wäre ein Wunsch, den er sich erst nach seiner Pensionierung erfüllen könnte. Damit ihm dieses feuchtschwüle Klima überhaupt gefiele, müsse er sich schon einmal daran gewöhnen, das Amazonashaus der Wilhelma biete sich inzwischen als kostengünstiges Übungsgelände an.
    |192| Über diesen Einfall hatte Anne amüsiert gelacht, es als einen Witz empfunden. Sie sah Jochen im Lendenschurz als Tarzan von Liane zu Liane schwingen, sie als Jane vor den Gefahren des Urwalds retten.
     
    Jochens 6er-BMW parkte direkt vor dem Haus. Anne stieg aus ihrem Auto. Spätestens nächste Woche musste sie es in die Werkstatt bringen und die Stoßdämpfer nachschauen lassen. Bei der Verfolgungsjagd durch Stuttgart hatte der Wagen durch die Löcher im Asphalt viel aushalten müssen. Vielleicht sollte sie doch in Zukunft einen Dienstwagen benutzen.
    Ihr kleines Schwarzes aus Seide, das mit engem Mieder gearbeitet war, schien nicht allzu sehr verknittert. Sie trug Highheels, über ihre nackten Schultern dekorierte sie einen seegrünen Pashmina-Schal. Jochen legte Wert auf eine dem Anlass entsprechende Kleidung. Während ihrer Liaison hatte er zweimal Abendgesellschaften gegeben. Herren, gekleidet in Smoking und Kummerbund, die anwesenden Damen, in Cocktailkleidern aufgebrezelt und ihre Gesichter frisch bebotoxt, glänzten mit ihrer Anwesenheit.
    Da Anne vorher keine Zeit gehabt hatte, sich umzuziehen, weil sie an einem Fall arbeitete, eilte sie direkt vom Dezernat zu seiner Wohnung. Sie kam sich damals mit ihrem schlichten Kostüm und weißer Bluse völlig underdresst vor. Besonders, da einige Frauen sie ungeniert abwertend musterten. Obwohl Anne glaubte, genügend
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