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Blutiges Schweigen

Blutiges Schweigen

Titel: Blutiges Schweigen
Autoren: T Weaver
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Hart meinte, er wolle keine falschen Hoffnungen in uns wecken. Er und seine Leute würden den Anrufen nachgehen, eine Akte anlegen und uns dann wieder kontaktieren.«
    »Hat Jamie Hart die Ermittlungen geleitet?«
    »Richtig.«
    Während ich Harts Namen notierte, erschien der Kellner, um unsere Bestellungen aufzunehmen. In meinen Tagen bei der Zeitung war mir der Name Hart schon untergekommen. Einmal, weil er eine Sonderkommission geleitet hatte, die nach einem Serienvergewaltiger fahndete, und einmal in einem Artikel in der Times , den ich wegen eines anderen Falls aus dem Archiv herausgesucht hatte.
    »Und hat Hart sich bei Ihnen gemeldet?«, erkundigte ich mich, nachdem der Kellner fort war.
    Carver wiegte den Kopf hin und her. Die Antwort lautete
also nein. Er versuchte, diplomatisch zu sein. »Nicht so, wie man es sich gewünscht hätte.«
    »Was soll das heißen?«
    »Anfangs wurden wir jeden Tag angerufen. Man stellte uns Fragen oder suchte uns zu Hause auf, um Gegenstände abzuholen. Und dann, die Ermittlungen dauerten inzwischen ein paar Monate an, hörte es plötzlich auf. Die Telefonate wurden seltener. Es kamen keine Polizisten mehr vorbei. Mittlerweile heißt es nur noch, dass es keine neuen Erkenntnisse gebe.« Er presste die Lippen zusammen. Der Anflug eines schmerzlichen Ausdrucks. »Sie würden es uns doch mitteilen, wenn da etwas Wissenswertes wäre, oder?«
    »Das sollten sie eigentlich.«
    Kurz hielt er inne. Die Gabel schwebte über dem Teller. Dann fing er langsam zu essen an.
    »An welchem Tag ist Megan verschwunden?«
    »Am Montag, dem dritten April«, erwiderte Carver.
    Inzwischen hatten wir den neunzehnten Oktober. Einhundertneunundneunzig Tage, ohne dass sie etwas erfahren hatten. In den ersten achtundvierzig Stunden interessierte sich die Polizei normalerweise nicht für eine vermisste Person, obwohl die ersten Tage meiner Ansicht nach ganz besonders wichtig waren. Je länger man abwartete, desto mehr drückte man die statistische Chance. Manchmal wurde der Gesuchte fünf Tage, eine Woche oder zwei Wochen nach seinem Verschwinden gefunden. Doch wenn er in den ersten achtundvierzig Stunden nicht wieder auftauchte, war die Wahrscheinlichkeit groß, dass er für immer fortblieb und nicht zurückkommen wollte — oder dass irgendwo seine Leiche lag.
    »Wann wurde Megan zuletzt gesehen?«
    »Am Nachmittag des Dritten«, antwortete Carver. »Sie ist zur ersten Unterrichtsstunde nach der Mittagspause erschienen, hat aber in der nächsten Stunde gefehlt. Eigentlich war
sie mit ihrer Freundin Kaitlin an den Spinden verabredet, aber Megan ist nicht gekommen.«
    »War Biologie die letzte Stunde an diesem Tag?«
    »Ja.«
    »Gibt es in der Schule Überwachungskameras?«
    »Ja, doch nur in sehr begrenztem Umfang. Jamie hat uns gesagt, sie hätten alle Kameras überprüft, allerdings hätte keine etwas aufgezeichnet.«
    »Haben Sie ihm mitgeteilt, dass Sie sich an mich gewandt haben?«
    Carver schüttelte den Kopf. »Nein.«
    Ausgezeichnet. Denn Hart zu überrumpeln war die beste Methode. Verständlicherweise hatte es die Polizei nicht gern, wenn Außenstehende sich einmischten — insbesondere, wenn es um laufende Ermittlungen ging. Falls man von meiner Beteiligung Wind bekam, würde man sich sehr schnell verbünden und die Wagenburg schließen, bevor ich auch nur den ersten Schritt gemacht hatte.
    »Also, wie geht es weiter?«, fragte Carver.
    »Wenn es Ihnen recht ist, würde ich gerne zu Ihnen nach Hause kommen, mit Ihnen sprechen und mir Megans Zimmer anschauen. Ich erwarte nicht, auf etwas Wichtiges zu stoßen, aber diese Methode ist mir am liebsten.«
    Die beiden nickten wortlos.
    »Anschließend würde ich mich gerne hier durcharbeiten«, fuhr ich fort und legte die Hand auf Megans Buch des Lebens. »Ich nehme an, dass die Polizei es überprüft hat.«
    »Ja«, erwiderte Carver.
    »Hat man etwas gefunden?«
    Er zuckte die Schultern. »Sie haben es uns zurückgegeben.«
    Was nein bedeutete.
    »Halten Sie es für möglich, dass sie noch lebt?«, wollte Caroline wissen.

    Wir sahen sie beide an. Carvers massige Gestalt rutschte auf der Sitzbank hin und her, als habe ihn die Frage überrascht oder enttäuscht. Vielleicht hatte sie sie bis jetzt ja noch nie gestellt. Oder er wollte die Antwort nicht hören.
    »Diese Möglichkeit besteht immer.«
    »Ja«, beharrte sie, »aber glauben Sie persönlich daran?«
    Ich senkte den Blick auf meinen Teller, wo ein geknackter Hummer lag, um zu verhindern, dass
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