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Blutige Spuren

Blutige Spuren

Titel: Blutige Spuren
Autoren: Jörg Liemann
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Vizepräsident ist? «
    Angermann nickte. » Manchmal führen kleine Dinge zu großen Dingen. «
    » Na gut. Um mal mit den kleinen anzufangen: Wo befindet sich der Rest von Herrn Haberstein? «
    » Das wissen wir nicht. Ich hatte auf Unterstützung durch Ihren Staatsschutz gehofft. Aber als ich auf meine Federführung hinwies, wurde mir beschieden, die Berliner hätten derzeit akute Personalprobleme. «
    » Jetzt haben Sie das Haus selbst durchsucht? «
    » Damit begonnen. Es wird noch eine Weile dauern, bis ich die Angelegenheit an das Land Berlin abgeben kann. «
    » Nehmen Sie das meinen Berliner Kollegen nicht übel, Herr Angermann. Wir haben wirklich wenig Personal. Der Senat muss sparen. «
    » Ich habe gehört, dass Ihr Bürgermeister gesagt hat, es sei sein Ziel zu sparen, bis es quietscht. Ist das ein Ziel, das die Politik sich setzt: sparen? Ich dachte immer, sparen wäre nur ein Mittel, um zu irgendwelchen Zielen zu gelangen. Die Berliner wissen das allerdings bestimmt besser, Herr Sternenberg. Ich bin ja kein Politiker. Nur, in diesem Fall sehe ich die Prioritäten etwas anders. Es ist völlig unangebracht zu sparen, wenn es um Terrorismus geht. Da hört der Spaß auf. «
    » Bei Terrorismus müssen wir alle Register ziehen, das ist klar « , pflichtete Sternenberg ihm bei. » Doch wir waren bei diesem Fall hier. «
    Der Mann mit der Prinz-Heinrich-Mütze lehnte sich an das Treppengeländer und zerknautschte dabei seinen Regenmantel. » Wir brauchen strikte Geheimhaltung. Können Sie das für Ihre Leute garantieren, Sternenberg? Auch für Ihre kleine Assistentin? «
    » Für wen? «
    Angermann überhörte die Frage. » Bitte sorgen Sie dafür, dass der Fotograf seine Aufnahmen vom Dachboden nicht veröffentlicht. «
    » Das kann ich nicht « , erwiderte Sternenberg.
    » Doch, können Sie! Indem Sie mir den Namen und die Zeitung des Mannes nennen. «
    » Das verspreche ich Ihnen nicht. «
    » Wir brauchen nur 48 Stunden. Danach kann er seine News ja drucken lassen. «
    » Ist die Geheimniskrämerei wirklich so wichtig für Sie? «
    Angermann nahm die Mütze ab und wischte innen an ihr entlang. » In diesen Zeiten brauchen wir jeden Vorsprung. Unsere Gegner sind nicht mehr organisierte Banden. Sondern Netzwerke aus lernenden Systemen und Subsystemen. Unsere Gegner denken und handeln systemisch, das muss der Staat endlich begreifen. «
    » Und wer ist das – unsere Gegner? «
    Der Polizeidirektor beim Bundeskriminalamt blickte von seiner Mütze auf und forschte in Sternenbergs Augen. » Ich kann nur hoffen, dass Sie mich das nicht im Ernst fragen, Herr Hauptkommissar. « Seine Augen tasteten Sternenbergs Augen ab, ihn schien plötzlich wirklich etwas zu ängstigen. Vielleicht die Tatsache, dass sein Gegenüber keine Ahnung von der Bedrohung haben könnte, von der er überzeugt war. » Unsere Gegner sind nicht mehr die Kriminellen, unser Gegner ist das System der Netzwerke an sich! Die Mafia, die Triaden, das waren Organisationen mit Hierarchien und Menschen. Wenn Sie die richtigen Mitglieder ausgeschaltet hatten, konnte man damit eine Organisation zerschlagen. Wenn Sie dagegen heute ahnen, dass ein Attentäter in Bangladesh finanziert wird von einer Zelle der al-Qaida « – er sprach das Wort sehr arabisch aus, fand Sternenberg –, » dann hat sich der Finanzierungsweg auch schon wieder geändert, und es tut sich eventuell eine Verbindung zu einem übrig gebliebenen Arm der Polisario aus der ehemaligen Kolonie Spanisch-Sahara auf. «
    Sternenberg bemühte sich um einen ernsten Gesichtsausdruck. Seine Augen zuckten dennoch unwillkürlich die Treppe hinauf.
    Darauf reagierte Angermann sofort. » Sie fragen sich, was das mit dem da oben zu tun hat. Hier wurde ein hoher Amtsträger, ein Repräsentant der staatlichen Ordnung, bestialisch ermordet. Sein Gedärm wurde zur Schau gestellt, um den Rechtsstaat, die westliche Demokratie, unser Grundgefüge, zu demütigen. Es spielt keine Rolle, wer diese Terroristen sind, welche Ziele sie sich auf ihre Fahnen schreiben und wofür sie vielleicht auch zu sterben bereit wären. Wichtig ist allein, dass ihr Handeln Teil eines systemischen Ganzen ist, eines Geflechts, von dem der internationale Terrorismus profitiert. «
    Sternenberg setzte sich auf die unterste Treppenstufe. Angermann blieb stehen und krönte sich wieder mit der Mütze.
    » Internationaler Terrorismus … « , sagte Sternenberg. » Ein Netzwerk ist nicht zu fassen, selbst wenn man Einzeltäter erwischt.
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