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Blutige Spuren

Blutige Spuren

Titel: Blutige Spuren
Autoren: Jörg Liemann
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Schlaganfall erlitten. Man rechne mit rascher Genesung, auf Empfehlung der Ärzte solle er sich jedoch einer längeren Behandlung und Erholung unterziehen.
    Nicht schlecht, fand Sternenberg – ein Schlaganfall, bei dem einem die Därme herausfallen und sich auf dem Dachboden über die Balken wickeln … Dumm ist die Idee wohl nicht. Wenn dieser offensichtliche Mord als » Schlaganfall « verkauft wird, kann erst mal in einer gewissen Ruhe ermittelt werden. Das Dementieren ist dann Sache irgendwelcher Büroschreiber und Pressesprecher. Die Macht des BKA scheint doch nicht so geschrumpft, wie man manchmal glaubt.
    Mit großer Geste setzte sich Kai Sternenberg schließlich den schwarzen, breitkrempigen Hut auf und brachte ihn in eine verwegene Form. Den Hut hatte er im Dienst noch nie getragen, aber heute, bei diesem wolkig nassen Wetter, könnte er ihn brauchen. Er sah sich im Spiegel an, hängte den Hut zurück an die Garderobe und fuhr mit der U-Bahn ins Büro.
    Die Tür stand offen, und vor dem Schreibtisch kämpfte Jano Dodorovic mit dem Staubsauger. Er trat das Gerät sofort aus, als er Sternenberg sah, und zog den Stecker.
    » Ich weiß gar nicht, wofür diese Putzschlampen ihr Geld bekommen « , schimpfte er. » Jeden Tag muss man ihnen hinterherräumen. Dass man alles, was auf den Boden fällt, einschließlich Staub und Krümel und Weißichwas, auch wieder wegräumen muss, scheinen die noch nicht gehört zu haben. Hauptsache Quatschiquatschi und mit der Kollegin im Klo rauchen. « Er illustrierte alle seine Aussagen pantomimisch.
    » Bist du fertig, Jano? «
    » Schneller konnte ich nicht. Hab’ schon die anderen Büros alle. Hast du dir mal die Fensterbretter angesehen? Ich hatte ja keine Ahnung. «
    » Bist du fertig mit deinen Kommentaren? Ich müsste mal ’n bisschen arbeiten. Außerdem ist keine Putzfrau so gut gekleidet wie du. Schlips und Kragen beim Staubsaugen, Mann, Mann … «
    » Spar dir die Schleimerei für höhere Mächte auf. Königin Beatrix hat nach dir gefragt. Sie hat’s eilig. Wollte dich um halb neun, jetzt ist’s schon … auweia, fast halb elf. «
    » Sie weiß, dass ich später komme. Und hat natürlich wieder nicht gesagt, worum es geht, oder? «
    Jano Dodorovic hatte den Staubsauger zu einem geordneten Bündel zusammengepackt und tätschelte zufrieden den Saugstutzen. » Hat sie nicht. Aber ich weiß, was sie beschäftigt. « Er sammelte sich. » Von dem Schicksal des Vizepräsidenten haben Sie gehört? «
    » Ja. Abgesehen davon, dass wir uns seit Jahren duzen. «
    » Ach ja, Entschuldigung. Sie ist auf der Suche. Nach einem neuen Büroleiter. «
    » Wieso Büroleiter? So was hat sie doch gar nicht. « Gleichzeitig dämmerte ihm etwas.
    » Man munkelt, dass Beatrix die Vertretung des Vizepräsidenten übernehmen soll. Und beim Vize ist ja die Stelle des Büroleiters vakant. Sie soll zur Bedingung gemacht haben, die Stelle mit einer Person ihrer Wahl zu besetzen, wenn sie die Aufgabe übernimmt. Und damit … «, er sah kritisch auf die schnell gebundene Krawatte Sternenbergs , » … damit könnte das Gespräch mit Ihnen … mit dir zu tun haben. Damit muss man rechnen. «
    » Okay, ich danke dir. «
    Dodorovic griff nach dem Staubsauger und ging grußlos hinaus, nicht ohne einen traurigen Blick auf die Ecken des Bürobodens zu werfen.
    Das Büro hinter der Flügeltür kam ihm noch leerer vor als sonst. Mitten im Raum schwebte eine Glasplatte. Nur ein Flachbildschirm und ein Federhalter wiesen darauf hin, dass die Glasplatte der Chefin als Schreibtisch diente. Der Schreibtischsessel stand rechtwinklig zum Fenster der einen und frontal zum Fenster der anderen Wand. In der Ecke zwei Quader: auf dem einen eine Schale mit Obst, auf dem anderen eine Vase mit Rose, einer schwarzen Rose. Die Monarchin stand sinnierend und mit verschränkten Armen neben der Besuchercouch. Auf den ersten, flüchtigen Blick hätte man sie für die verantwortliche Raumpflegerin halten können. Sie schwang sich aus ihren Gedanken auf und gab Sternenberg die Hand, wies auf die Couch und stellte sich vor die Glasplatte, wieder mit verschlossenen Armen.
    Er nahm Platz und legte die Mappen neben sich.
    Beatrix strich sich über den grauen Scheitel und machte die Miene eines Gastes, der länger als eine Stunde auf das Menü gewartet hatte, nun jedoch froh war, die Bestellung nicht widerrufen zu müssen, auch wenn er das Recht dazu gehabt hätte.
    » Was ich Ihnen zum Fall Haberstein sagen will, Herr Sternenberg
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