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Blutige Spuren

Blutige Spuren

Titel: Blutige Spuren
Autoren: Jörg Liemann
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Ich finde, das ist eine gute Analyse. Respekt! Manchmal ist es eben doch gut, wenn man mal das große Ganze sieht und nicht immer nur jeden Fall für sich genommen. Ich hoffe, ich kann Sie bei Ihrer Arbeit unterstützen. «
    Angermann wandte sich langsam Sternenberg zu. Dann setzte er sich Schulter an Schulter neben ihn und legte ihm eine Hand aufs Knie. Er grinste. Und grinste. Und grinste. » Verausgaben Sie sich mal nicht, Sternenberg! Sie versuchen, mich mit einem einzigen Satz zu entwaffnen! Erst sagen Sie mir, Sie würden mich verstehen. Dann äußern Sie Respekt für meine Arbeit. Und dann geben Sie auch noch vor, wir säßen beide im selben Boot. Hübsch ausgedacht. Aber ein bisschen zu offensichtlich. Zwischen diesen drei Phasen müssen Sie längere Pausen machen, damit es ehrlich wirkt. Sie halten mich für einen Spinner. «
    Sternenberg lachte. » Einen Versuch war’s wert, oder? Doch Sie haben recht. Ich halte nicht Sie für einen Spinner, aber diese Theorie, die halte ich für Spinnerei. Ich sehe keinen Anhaltspunkt, der vom Mord am Polizeivizepräsidenten auf den internationalen Terrorismus schließen ließe. «
    » Ja. Sie sehen da keine Verbindung. «

4
    Kai Sternenberg lag wach im Bett. Er hatte beobachtet, wie die Streifen am Morgenhimmel kräftiger rot wurden, bis sich Gelb und Blau hineinmischten und bis eine Wolkendecke das Gemälde schließlich wegwischte.
    Er tastete nach dem Hals der Sektflasche und nahm einen Schluck, der noch perlte. Er hatte nicht geschlafen. Erst war er bei der Telefonseelsorge gewesen, später draußen beim Einsatz. Und doch war er nicht müde. Obwohl es kalt war im Schlafzimmer, fühlte er sich durchströmt von Wärme. Sein Körper hatte sich angespannt und hatte geschwitzt, und trotzdem fühlte er sich stark und fit wie lange nicht. Er merkte, dass er viel Sekt getrunken hatte, und trotzdem hatte er den Sekt selbst jetzt noch nicht über. Er spürte eine Sattheit im Inneren, die ihm gleichzeitig noch immer Appetit machte.
    Im Licht des Morgens besah er die bloßen Schultern der Frau neben sich und küsste sie mit Sektlippen. Sie schlief weiter und rührte sich nicht. Ihren Nacken und die langen, zu dünnen Zöpfen geflochtenen Haare ahnte er mehr, als dass er sie erkennen konnte. Er dachte an seine Behaglichkeit und an den jungen Nacken, und ihm wurde klar, wie gern er ein Mann war – er lachte, weil der Gedanke ihm plötzlich so albern vorkam –, und zugleich, dass er sich eigentlich fragen müsste, wie viele derartige Momente er wohl noch haben würde in seinem Leben.
    Noch einmal betrachtete er ihre Schultern. Als ob ich diese Frau besiegt hätte. Dabei hat eher sie mich besiegt. Oder wie hatte Hemingway das genannt? Sich gegenseitig kaputt machen, auf diese Weise. Kann man mit jemandem schlafen, ohne auch nur ein bisschen den anderen kaputt machen zu wollen? Macht das nicht einen Teil der Leidenschaft aus, dieses nur spielerische Jagen und Töten?
    Was für ein Blödsinn – es gab so viele Augenblicke, in denen es zärtlich war und nicht die Spur von Siegen und Besiegtwerden mitschwang!
    Es war die Zeit aufzustehen. Ebenso hätte es die Zeit sein können, das Mädchen zu wecken und mit ihr noch einmal in den Kampf einzutreten. Der keiner ist. Es blieb die Zeit des geöffneten Fensters und der Kaffeemaschine und der Morgennachrichten, leise gestellt, um Julia nicht zu wecken.
    Im Spiegel nahm er wahr, wie er zu grinsen anfing, als er an ihre kräftigen Arme dachte, die den Hobel über einen Holzbalken führten. Bühnenbau! Sie baut Bühnen, studiert das sogar. Vor einem Jahr wusste ich nicht einmal, dass man so ein Handwerk studieren kann. Sie wird Kulissen herstellen, Kulissen fürs Theater, obwohl sie einmal ganz andere Träume hatte. Feuerwehrfrau wollte sie werden. Und ich? Bin Polizist. Obwohl ich – tja, was? – werden wollte. Hatte ich genauso einen Traum, so ernsthaft, wie es ihrer war? Und wie schnell sie sich jetzt mit ihrem neuen Ziel arrangiert hat! Jetzt bin ich es, der an ihrem alten Berufsziel hängt. Doch das hatte möglicherweise nicht so sehr mit ihr selbst zu tun als vielmehr mit der Idee: Die erste aktive Feuerwehrfrau Berlins wäre sie zwar nicht gewesen, aber immerhin eine der wenigen.
    Im Radio hörte er von einem Spendenskandal. Der Sprecher verwechselte Millionen und Milliarden. Oder hatte er sich womöglich gar nicht versprochen? Die zweite Meldung galt der Lokalpolitik. Polizeivizepräsident von Haberstein habe am Vortag einen
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