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Blutige Spuren

Blutige Spuren

Titel: Blutige Spuren
Autoren: Jörg Liemann
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bei einem dreizehn-, vierzehnjährigen Mädchen anrichtet? «
    » Ich kann’s mir vorstellen. «
    » Sie ist auf Speed gekommen, zuerst. Dann hat sie die harten Sachen genommen. Sie ist in die üblichen Kreise geraten, aber sie ist eine tolle Frau geblieben. Ich bewundere sie. Klar, sie hat Freundinnen zum Heroin gebracht, das war scheiße. Doch sie hat sich um sie gekümmert. Sie ist eine süße Frau, sie ist einfach mein Leben, verstehst du? «
    » Klingt hoffnungsvoll. «
    » Ja. Ich glaube, ohne sie zu kennen, wäre mein Leben ärmer. – Ich treibe es nicht mit Frauen, falls du das jetzt annimmst. Darauf kommt es mir nicht an. Verstehst du, worauf ich hinauswill? «
    » Jemand, der Ihnen nahesteht. Seelenverwandtschaft. «
    » Genau. Genau! Seelenverwandtschaft. « Sie zögerte. » Manchmal gibt es doch im Leben Augenblicke … da entdecken wir einen Menschen, in den wir uns verlieben, nicht weil wir mit ihm ins Bett gehen wollen, sondern weil seine Seele so schön ist. «
    Kai Sternenberg schlug die Kladde wieder auf. Die Augen waren ihm schwer. Er notierte: » Seelenverwandtschaft mit Sunshine « und malte eine Reihe Ausrufezeichen dahinter. Es war das Ende der Seite, und er zeichnete das Kästchen für die statistischen Kennzahlen in eine der unteren Ecken.
    » Sie hat alles von sich aus überwunden, sie hat in dem Krankenhaus angefangen zu arbeiten, in dem sie ihre Entziehung gemacht hat. Sie fing an, nebenher als Kellnerin zu arbeiten. Dann hat Pat studiert, Archäologie. Und sogar einen Abschluss hinbekommen. «
    Sternenberg knipste mehrmals den Kugelschreiber. » Pat? «
    » Ja, Pat. Pat Sunshine. Also, Sunshine ist nicht ihr richtiger, ihr offizieller Name. Pat heißt sie eigentlich. Ich liebe sie. «
    Er war hellwach. Mit dicken Buchstaben quetschte er PAT neben das Statistik-Kästchen.
    » Seitdem arbeitet sie in der Verwaltung als Assistentin, ich bewundere sie … «
    Pat und Sunshine, das erinnerte ihn an … etwas. Oder an jemanden. Etwas, das nah war. Aber er kam nicht darauf. Er ging die Namen von Kripo-Fällen durch, wünschte sich ein Computersuchprogramm, fand jedoch keinen Ansatz.
    Es ist nicht gut, wenn Anrufer über Personen sprechen, die ich kennen könnte. Das mit dem Chefredakteur, der gesagt hatte, alles sei doch nur ein Spiel, war schon ein Schritt zu viel, weil es Anonymität zu durchbrechen drohte – das mit dieser Pat Sunshine allerdings…
    » Sie hat viel getan, für ihre Freundinnen, für die Kriegsheimkehrer, für Jannie … «
    Jetzt fiel der Groschen. Er schüttelte den Kopf. » Für Jannie? «
    » Jannie – Janis. «
    Ihm war, als hätte die Frau durch den Hörer hindurchschauen können und ihn erkannt. » Janis? « , fragte Kai Sternenberg.
    » Ja doch. Janis « , antwortete Linda.
    » Janis – Joplin? «
    Auf der anderen Seite knarrte und krachte es im Hörer. Erst dachte er, Linda würde auflegen. Dann wurde ihm klar, dass sie den Hörer wahrscheinlich zu nah an einem Kissen hatte, auf dem sie lag.
    Er erinnerte sich an ein Bild. Es war ein Foto in einem Buch. Das Bild in einer Biografie. Es zeigte Pat » Sunshine « Nichols. Sie war eine der engen und wohlmeinendsten Freundinnen von Janis Joplin.
    Sternenberg hatte die Janis-Joplin-Biografie gelesen. Und auch er hatte die junge Frau, die Janis erst auf Speed brachte und die später engagiert gegen Drogen kämpfte, beim Lesen der Biografie bewundert. Wenn sie es war, von der Linda sprach, dann war diese Frau mittlerweile mindestens fünfunddreißig Jahre älter als auf dem Foto. Und lebte irgendwo in Kalifornien.
    Diese Frau, die weit entfernte Pat Nichols, eingefroren in einem 35 Jahre alten Bild, war der neue – und vielleicht der einzige – Lichtblick im Leben von Linda, der Frau, die bei der Telefonseelsorge angerufen hatte.
    » Ähm, Sie sprechen von einem Foto …? Oder? Sie sprechen von einer Fotografie, auf der Pat Nichols abgebildet ist. «
    » Wichser! « , sagte Linda und legte auf.

3
    Zum sechsten Mal wählte Isabel Sternenbergs Handynummer. Sie war sicher, dass er Nachtdienst bei der Telefonseelsorge hatte und dass das Handy in seiner Nähe lag. Doch während sie eine SMS tippte, begann sie zu zweifeln.
    Kai Sternenberg hatte das Fenster geöffnet und kühlte sein Gesicht im Sprühregen. Noch zwei Stunden, dachte er. Zwei Stunden. Er schloss das Fenster und ging in die Teeküche, um sich einen Kaffee zu machen, nichtsdestoweniger hatte er plötzlich keinen Appetit mehr auf Kaffee.
    Mit verschränkten
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