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Blutige Seilfahrt im Warndt

Blutige Seilfahrt im Warndt

Titel: Blutige Seilfahrt im Warndt
Autoren: Elke Schwab
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dessen Ende. Als er in Position war, stoppte die Maschine.
    Der Gerichtsmediziner folgte mit blassem Gesicht den Mitarbeitern des Labors, dem Polizeifotografen und einem Feuerwehrmann. Sie bekamen Helme gereicht, die sie aufsetzten, bevor sie in den Korb stiegen.
    »Hoffentlich bin ich schwindelfrei«, murmelte er.
    »Wie gut, dass ich da nicht raufmuss«, stellte Schnur erleichtert fest.
    Doch der Korb setzte sich nicht in Bewegung.
    Alle starrten auf Schnur, der seinen Blick stoisch auf der Arbeitsbühne ruhen ließ. Es dauerte eine Weile, bis Erik seinen Vorgesetzten in die Seite rammte und anmerkte: »Es hängt alles nur noch an dir.«
    »Wie? Was?«, frage Schnur. Erst jetzt fielen ihm die wartenden Blicke auf.
    »Ich vermute mal, dass du als zuständiger Chefermittler mit den Jungs nach oben fahren sollst«, antwortete Erik.
    »Warum? Wir wissen doch gar nicht, ob es sich um Mord handelt.«
    Schnur wurde mulmig zumute.
    »Du bist hier, um das zu entscheiden.«
    Schnur fuhr sich nervös über sein Kinn und zögerte.
    »Hast wohl deinen Rasierapparat vergessen, Barbarossa«, spottete Erik. Er wusste, wie peinlich genau Schnur stets seine roten Bartstoppeln entfernte, kaum dass sie sichtbar werden konnten. Als könnte er damit diesen elenden Spitznamen vergessen machen.
    »Noch einmal Barbarossa und ich schicke dich nach oben«, murrte Schnur.
    Er zog den Schutzanzug und die Schutzhaube über, die ihm ein Mitarbeiter der Spurensicherung entgegenhielt, und stapfte zur Arbeitsbühne.

    Das kratzende Dröhnen des Walzenschrämladers war laut bis in die Fußstrecke von Flöz 7 in über tausend Metern Tiefe zu hören. Während die beiden Schneidwalzen unaufhörlich rotierten, schrämte die vordere die Kohle im oberen Bereich ab und die hintere Walze die Kohle vom unteren Bereich des Flözes. Direkt im Anschluss wurden hydraulisch gesteuerte Stahlschilde in Bewegung gesetzt, um den Hohlraum, der durch den Abbau entstand, gegen den enormen Gebirgsdruck abzusichern. Die Männer bedienten die Maschinen mit großer Sicherheit. Jeder wusste genau, was er zu tun hatte.
    Plötzlich klingelte das Telefon.
    Steiger Georg Remmark nahm den Hörer in die Hand, während die lauten Maschinen weiterliefen. Er lauschte eine Weile. Dann legte er auf, richtete seinen Blick auf die Männer und winkte mit seiner Grubenlampe vertikal auf und ab. Ein Zeichen dafür, dass sie ihre Arbeit anhalten sollten. Sofort stellten sie die Maschinen ab.
    Die Stille, die plötzlich eintrat, war gespenstig. Nur der Luftzug der Bewetterung war zu hören. Unruhe machte sich unter den Männern breit. Während der Kohleförderung ohne ersichtlichen Grund abzubrechen, war ungewöhnlich. Endlich gab der Steiger mit seiner Kopflampe ein rotierendes Zeichen. Dies bedeutete, ihm in die Bandstrecke zu folgen.
    »Was ist passiert?«
    »Es hat über Tage einen Unfall gegeben«, antwortete Remmark. »Jemand ist mit dem Korb bei der Leerfahrt verunglückt. Deshalb müssen wir aufhören und am Warndtschacht ausfahren.«
    »Wie ist das passiert? Wie kann man bei der Seilfahrt verunglücken?«, fragten die Kameraden ungläubig.
    Remmark zögerte kurz, bevor er den genauen Bericht wiedergab, den er über das Telefon erhalten hatte. »Es heißt, es wäre einer von uns.«
    »Das war niemals ein Unfall«, widersprach Michael Bonhoff, den alle unter Tage »Mimose« nannten. »Wie soll das möglich sein? Niemand kann am Stahlseil festhängen, bis er unter die Seilscheibe gerät.«
    »Kein Grund durchzudrehen, Mimose«, rief Remmark unfreundlich und fügte noch lauter an: »Es war ein Unfall! Was soll es sonst gewesen sein?«
    Nur große Augen aus kohleverschmierten Gesichtern starrten ihn verständnislos an.
    »Was glaubt ihr, was passiert, wenn hier ein Mord vermutet wird? Dann wimmelt es nur so von Polizei, die Grube wird heute schon dichtgemacht. Wollt ihr das?«
    Allgemeines Kopfschütteln.
    »Ich kann nur hoffen, dass es keinen von uns erwischt hat«, fügte Remmark noch hinzu.
    Alle schauten sich um, bis Paolo Tremante sagte: »Pitt fehlt.«
    »Den habe ich heute noch gar nicht gesehen«, trug Hans Rach bei. »Ist er überhaupt mit uns runtergefahren?«
    »Ja. Er war heute Morgen bei der Anwesenheitskontrolle dabei«, versicherte Remmark.
    »Scheiße! Dann müssen wir nach ihm suchen«, bestimmte Tremante.
    »Okay«, stimmte Remmark zu. »Schaut überall nach, wo er sein könnte. Als ich ihn das letzte Mal gesehen habe, benahm er sich äußerst seltsam. Überhaupt! Seit
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