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Blutige Seilfahrt im Warndt

Blutige Seilfahrt im Warndt

Titel: Blutige Seilfahrt im Warndt
Autoren: Elke Schwab
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einen gezielten Schlag mit der Handkante ins Genick verpasst. Doch er fiel nicht – wie erwartet – in den Schacht. Er blieb tatsächlich mit dem Lampengürtel an dieser Stahllitze hängen, die ich erst in diesem Augenblick gesehen habe, und dazu noch aufrecht, weil sich irgendetwas von seiner Kleidung am Seil verfangen hatte.«
    Anke staunte. »Sie wollten diesen Mord gar nicht so spektakulär zur Schau stellen?«
    »Nein! Ich wollte in Ruhe meine Mission beenden. Und dazu gehörten noch einige Männer.«
    »Haben Sie allen beim Sterben zugesehen?« Anke wusste, dass diese Frage nicht relevant für ihre Ermittlungen war. Und trotzdem musste sie sie stellen.
    »Habe ich. Und mit Genuss. Sie haben alle den Tod verdient, weil sie meinen Vater in dieser Kammer sterben lassen wollten.«
    »Dann gebe ich Ihnen zum Abschluss etwas mit ins Gefängnis.«
    Tim horchte auf.
    »Georg Remmark hat ganz allein Ihren Vater und Winfried Bode in dieser Kammer eingesperrt. Er hat das ohne das Wissen seiner Kameraden gemacht. Sie haben alle diese Männer für etwas bestraft, was sie nicht getan haben … bis auf Remmark.«
    Sie behielt Tims Gesicht genau im Auge.
    »Na! Wie fühlt sich das an?«
    Der Glanz verschwand aus Tims Augen. Seine Gesichtsfarbe wechselte von gerötet in grau. Er brachte kein Wort heraus.
    »Sie werden jetzt viel Zeit bekommen, darüber nachzudenken.«

    Grewe saß am Krankenbett seines Freundes. Ein Atemschlauch führte in seinen Mund. Das ständige Pumpen und Luftablassen war es, was ihn am Leben hielt. Im Gleichtakt mit der Maschine hob und senkte sich seine Brust.
    Grewe wurde schwer ums Herz.
    Tatsächlich hatte er die ganze Zeit im selben Raum mit Bonhoff gelegen. Jetzt war er froh darüber, soviel drauflos geredet zu haben. Er hatte alles ausgesprochen, was ihn bedrückte. Alle seine Gefühle zum Ausdruck gebracht. Vielleicht gab das seinem Freund den Mut, aufzuwachen, die Augen zu öffnen und ihn anzusehen.
    Grewe nahm Bonhoffs Hand. An ihr hing lediglich das blinkende Pulsmessgerät. Die Kanülen steckten in der anderen. Die Wärme, die er zu spüren bekam, berührte ihn.
    Er schaute in Bonhoffs Gesicht. Es war kalkweiß und eingefallen. Seine schönen, dunkelblonden Haare klebten an seinem Kopf.
    Grewe musste nicht lange überlegen, was er seinem Freund erzählen konnte. Inzwischen war wieder eine ganze Menge passiert. Also begann er, von den Ergebnissen ihrer gefährlichen Undercover-Aktion zu berichten. Von dem Phantom und von Schorsch, dem Steiger. Der Mann, der ihnen beiden Angst und Schrecken einjagen konnte.
    Immer wieder schaute er auf das Gesicht seines Freundes.
    Keine Reaktion.
    »Mensch, Michael! Du gehörst doch mit zum Team. Also müssen wir den Erfolg zusammen feiern«, drängte Grewe.
    Aber nichts geschah. Reglos blieb der Mann in seinen Kissen liegen.
    Die Schuldgefühle, die Grewe plagten, wurden mit jedem Piepston, der aus der Maschine drang, stärker. Mit jeder Sekunde, die ohne ein Lebenszeichen verstrich, fühlte er sich hoffnungsloser. Bonhoff hatte über vierundzwanzig Stunden mit Kopfverletzungen in diesem Raum gelegen. Ohne ärztliche Versorgung. Dass er überhaupt noch lebte, grenzte an Wunder. Zumindest hatte Grewe gehört, wie einer der Ärzte diesen Satz ausgesprochen hatte.
    Und Grewe wusste, was das zu bedeuten hatte.
    Auch wenn er es nicht wahrhaben wollte.
    Michael Bonhoff war der Mann, den er seit vielen Jahren liebte und begehrte und niemals erreicht hatte. Endlich hatte er eine Chance für sie beide gesehen, da hatte Bonhoff den Helden spielen müssen. Remmark hatte herausgefunden, welche Rolle Bonhoff für Grewe gespielt hatte. Ihm war nichts entgangen.
    Dieser Mann war zu ihrem Verhängnis geworden.
    Plötzlich spürte Grewe, wie die Hand kalt wurde. Und kälter.
    Erschrocken schaute er auf die Maschine, da ging auch schon der entsetzlich eintönige Warnton los. Gleichzeitig rannten Ärzte und Schwestern ins Zimmer.
    Wie paralysiert stand er daneben und besah sich das Schauspiel. Alle Wiederbelebungsmaßnahmen endeten in einem enttäuschten Kopfschütteln, bis der Arzt die Todeszeit notierte.
    — ende —

Herzlichen Dank an Herrn Volker Etgen, Vorsitzender des Vereins Erlebnisbergwerk Velsen e.V. und ehemaliger Vermessungsingenieur der Grube Warndt, für seine Unterstützung meiner Recherchen zum Thema Bergbau.

    Das »Erlebnisbergwerk Velsen« bot mir durch mehrere Besichtigungen Einblicke in die Welt des Bergbaus, was für diesen Roman ebenfalls eine
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