Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutige Seilfahrt im Warndt

Blutige Seilfahrt im Warndt

Titel: Blutige Seilfahrt im Warndt
Autoren: Elke Schwab
Vom Netzwerk:
eine Heiligenfigur an die Stelle gestellt, an der ihr Vater gestorben ist?«
    »Ja. Aber das geht dich nichts an. Er konnte sich nicht mehr bewegen und ließ sich ausgerechnet auf der Kante nieder, die brüchig war.«
    »Das tut mir leid!« Anke meinte das ehrlich.
    »Los! Weiter!«, drängte er. »Ich habe nicht vor, mich mit dir anzufreunden.«
    »Was haben Sie denn mit mir vor?«, platzte es aus ihr heraus.
    Er schaute Anke eine Weile an, dann drehte er sich weg, als müsste er überlegen, was er nun sagen sollte.
    Das war die Gelegenheit.
    Mit einem Satz sprang Anke in den Seitenstollen hinein. Schon spürte sie Tims festen Griff. Sie strampelte, doch der Mann war stärker als sie. Sie spürte, wie er sie wieder hinausziehen wollte.
    Aber er hatte Ankes Waffe vergessen.
    Mit einer flinken Bewegung gelang es hier, sich auf die Seite zu werfen, die SigSauer aus dem Holster zu ziehen und damit auf Tim Fechter zu zielen.
    Abdrücken musste sie gar nicht. Vor Schreck ließ er ihre Füße los und fiel mit einem lauten Schrei in die Tiefe.
    »Anke!«, hörte sie eine vertraute Stimme über ihrem Kopf.
    Sie kroch aus dem schmalen Gang heraus, schaute nach oben, konnte aber nur Umrisse erkennen.
    Kullmann richtete den Schein seiner Lampe auf sein Gesicht. Damit hatte sie die Bestätigung.
    Hastig kletterte sie die Stufen wieder nach oben und meinte: »Das war knapp!«
    Kullmann konnte im ersten Moment nichts sagen. Er umarmte die zitternde Frau und drückte sie eine Weile ganz fest an sich, bis er merkte, wie sie sich ein wenig beruhigte.
    »Was ist mit ihm passiert?«, fragte er, als sie sich aus seiner Umarmung löste.
    »Er ist runtergefallen. Wie tief dieser Schacht ist, weiß ich nicht.«
    Wie auf Kommando schauten beide auf Pierre. Der setzte sein faltiges Grinsen auf und sagte: »Nicht tief genug, um zu sterben. Außerdem landet er unten weich, weil der Boden morastig ist. Dieser Blindschacht ist schon uralt. Er wurde nie fertiggebaut, weil an dieser Stelle die Kohleflöze zu schnell ausgelaufen sind. Da war er plötzlich nicht mehr nötig.«
    »Zugeschüttet habt ihr ihn aber auch nicht«, grummelte Kullmann.
    »Nein! Warum auch? Dort konnte man das Grubenwasser ablaufen lassen.«
    »Okay! Jetzt müssen wir zusehen, dass wir diesen Mann bergen. Er ist der Einzige, der weiß, wo Anton Grewe steckt.«
    Anke räusperte sich und sagte: »Nein, er weiß es nicht.«
    »Was soll das heißen?«
    »Dass Tim nicht für Grewes missliche Lage verantwortlich ist.« Sie gab Kullmann das Gespräch mit Tim Fechter wieder.
    »Und was machen wir jetzt?«, fragte Kullmann ratlos.
    »Weitersuchen!«
    »Kann er wieder aus diesem Schacht heraus?«
    »Nein, keine Sorge!« Pierre lachte. »Unten gibt es keine Sprossen mehr.«
    »Sollten wir nicht nachsehen, ob er noch lebt?«, frage Anke verwirrt.
    »Das darfst du übernehmen. Als Polizistin stehst du in der Pflicht. Wir warten hier oben«, bestimmte Kullmann.
    Nur widerwillig kletterte Anke wieder in diesen Schacht. Zum Glück war ihre Taschenlampe stark genug, um nicht zu tief klettern zu müssen. Bereits in halber Höhe sah sie ihn. Er stand da und schaute nach oben. Aus Erfahrung wusste Anke, dass das Licht ihn so blendete, dass er sie nicht erkennen konnte. Er sagte kein Wort. Sie auch nicht. Sie drehte sich einfach um und kletterte wieder nach oben.
    »Wir lassen ihn später abholen«, bestimmte Kullmann.

    Grewes Zittern wurde so stark, dass es ihn wieder aus seiner Ohnmacht riss. Er schaute sich um. Nichts hatte sich verändert. Er war immer noch in diesem kahlen Raum an einen Stuhl gefesselt. Die Ungewissheit, ob Michael ebenfalls in diesem Raum lag, war mit ihm aufgewacht und quälte ihn. Er versuchte, sein Zittern zu unterdrücken, doch das gelang ihm nicht. Es schien so, als entwickelten seine Extremitäten ein Eigenleben. Trotz der Fesselungen zuckten die Beine wie wild auf und ab. Auch die Arme konnte er nicht still halten. Blut drang nicht mehr aus seinen Wunden. Dafür fühlten sie sich heiß an und schmerzten noch mehr.
    Er überlegte, ob es einen Sinn machte, auf die Zeitanzeige zu schauen. Sie würde ihm nur signalisieren, wie lange er noch zu leben hatte.
    Denn eines war ihm inzwischen klar geworden. Remmark hatte ihm in dieser fatalen Situation noch eins ausgewischt. Niemals hatte er seinen Kollegen dieses Foto zugeschickt.
    Das würde sein Ende sein.
    Der Ort, den er von Grund auf gehasst hatte, sollte sein Grab werden.
    Tränen liefen über seine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher