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Blutige Rache

Titel: Blutige Rache
Autoren: John Sandford
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schien ihm klar zu werden, dass er sterben würde. »Scheiße«, sagte er. »Sally wird weinen.«
    Der Scout erhob sich, schüttelte den Kopf. Der Schütze streckte den Arm mit der Waffe aus und schoss Sanderson
zweimal in die Stirn. Die ausgeworfenen.22er-Patronen fing er mit der freien Hand auf.
    Der Schütze roch das Blut. Manchmal wurde ihm jetzt, anders als früher, übel davon. Er holte eine Zitrone aus der Tasche, rieb mit dem Fingernagel darüber und atmete den Duft ein. Besser.
    Dann bückte er sich, drückte Sandersons Mund auf und schob die Zitrone hinein.

ZWEI
     
     
     
     
    Jeden Abend, bevor Virgil Flowers ins Bett ging, dachte er über Gott nach.
    Weil es ihm guttat und ihn vor dem für Polizisten so typischen Zynismus bewahrte. Virgil glaubte an Gott und die unsterbliche Seele, war aber nicht religiös - eine Einstellung, die seinem Vater, einem lutherischen Geistlichen der alten Schule, Probleme machte.
    »Religion bietet die Möglichkeit, die Kultur sowie dein Verhältnis zu Gott und deinen Mitmenschen zu strukturieren«, hatte er bei Virgils letztem Besuch zu Hause argumentiert. »Sie ist nicht nur einfach eine Telefonzelle, von der aus man Gott anruft, wenn man ihn braucht. Gute Religion stellt einen Wert an sich dar, selbst falls Gott nicht existieren sollte.«
    »Meiner Ansicht nach«, hatte Virgil erwidert, »schert es Gott nicht, was wir tun. Für ihn ist alles gleich relevant oder irrelevant. Religionen orientieren sich an den moralischen Ansichten einer Leitfigur wie Konfuzius, Buddha, Jesus oder Mohammed, ähnlich wie politische Parteien an der Wirtschaftstheorie ihres Vorstands, zum Beispiel Bill Clinton.«
    Obwohl sein Vater Bill Clinton nicht leiden konnte, hatte er Virgil am Frühstückstisch gelassen gelauscht. Die beiden genossen solche Gespräche bei von Virgils Mom gebackenen frischen Brötchen und Kaffee. Nach den üblichen Problemen in der Pubertät war Virgil, als er dreißig und sein Vater sechzig
wurde und sich den Realitäten des Alters stellen musste, seinem Dad nähergekommen.
    Virgil war klar, dass sein Vater seinen Glauben an die unsterbliche Seele und seine allabendliche Beschäftigung mit Gott zu schätzen wusste. Möglicherweise beneidete der Geistliche seinen Sohn auch um seinen Polizistenjob, denn er verstand sich selbst als Mann des Friedens und Virgil als Mann der Tat.
    Virgil hingegen beneidete seinen Vater umgekehrt nicht. Dessen Aufgaben hätten ihn vermutlich in den Wahnsinn getrieben. Es ist verhältnismäßig leicht, Probleme mit Waffen, Haftbefehlen und Gefängnissen zu lösen, aber was macht man mit jemandem, der nicht geliebt wird?
    Da war es doch besser, dachte Virgil, eine Polizeimarke zu haben und in puncto Wunder der Welt Amateur zu bleiben.
     
    In dieser heißen, schwülen Nacht wurde Virgil von seinen Gedanken über die Wunder der Welt durch die Nähe von Janey Smalls nacktem Hintern abgelenkt, der Virgils Meinung nach zu ebendiesen Weltwundern zählte.
    Janey schlief leise schnarchend auf der Seite, besagten Hintern ihm zugewandt. Sie versuchten es wieder einmal miteinander; sie war die zweite seiner drei Ehefrauen, er der zweite ihrer vier Ehemänner.
    Im Nachhinein hielt er die Sache mit Janey für eine ziemlich schlechte Idee. Virgil hatte sie im Minnesota Music Café an der Bar stehen sehen, dieses Weltwunder in einer hübschen, engen Levi’s 501.
    Eins hatte zum andern geführt - sexuell inkompatibel waren sie ja nicht, nur praktisch in jeder anderen Hinsicht.
    Janey. Er konnte sie wirklich gut leiden, aber immer nur ein paar Stunden am Stück.

    Er würde ganz vorsichtig in Richtung Bettkante rutschen … Jeans und Stiefel befanden sich auf dem Boden; er könnte fast an der Tür sein, bevor sie aufwachte.
    Da begann das Handy auf dem Nachtkästchen zu klingeln. Natürlich wachte Janey auf.
    »Du hast das Handy angelassen, du Blödmann«, lautete ihr Kommentar.
    Ein loses Mundwerk hatte sie immer schon gehabt.
    Virgil warf einen Blick aufs Display.
    »Davenport.«
    »Oje.« Sie war lange genug mit ihm verheiratet gewesen, um zu wissen, dass ein nächtlicher Anruf nichts Gutes bedeutete. Und auch ihr letzter Ehemann arbeitete bei der Polizei, bei der Sitte in St. Paul. Janey behauptete, er habe im Job ein paar amüsante Anregungen aufgeschnappt, liebe aber leider seine Modelleisenbahn. Als er angefangen hatte, die Rock Island Line im Wohnzimmer aufzubauen, war sie ausgezogen.
    Und sie kannte Lucas Davenport. »Nun geh schon ran.«
    »Ja,
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