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Blutige Küsse und schwarze Rosen

Blutige Küsse und schwarze Rosen

Titel: Blutige Küsse und schwarze Rosen
Autoren: Irina Meerling
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einer Schleierwolke bedeckt wurde. Es war eine fast sternenklare Nacht.
    „Vollmond ist erst morgen“, korrigierte Nico leise und klang dabei heiser.
    Elias schmunzelte, schadenfroh darüber, dass der Alkohol nun endlich bei seinem Kumpel Wirkung zu zeigen begann.
    „Jetzt sieht es bloß so aus.“
    Elias betrachtete den Mond genauer. Er war bereits riesig und spendete ihnen kaum weniger Licht als die Straßenlaternen. Diese waren hier nur spartanisch aufgestellt, da die kleine neue Festhalle abseits des altmodischen Vorortes lag, in deren Mitte noch Fachwerkhäuser aus dem 18. Jahrhundert die Straßen säumten. Das älteste Gebäude war aber die verlassene Kirche aus dem Jahre 1701. Sie lag ebenfalls am Rande der eigentlichen Wohnsiedlung und versperrte den Einwohnern die Aussicht auf ihren alten, verfallenen Friedhof.
    Eine leichte Gänsehaut bildete sich auf Elias’ Armen und seine Nackenhärchen stellten sich auf, als die gewaltigen Turmwände des Gotteshauses in diesem Moment hinter den Bäumen zum Vorschein kamen, welche die Begräbnisstätte umgaben. Es war keine unangenehme Gänsehaut. Seit jeher hatte sich Elias von Orten wie diesem angezogen gefühlt. Oft war er abends durch die Stadt geirrt, immer mit der Kirche als anvisiertes Ziel. Doch etwas Unerklärliches hatte ihn stets davon abgehalten, Friedhöfe wirklich zu betreten. Sie strahlten so viel Autorität aus, dass es ihm unverschämt erschien, die Ruhe dort mit seiner Anwesenheit zu stören.
    „Das ist genau deine Welt, hm?“
    Elias blickte auf. Er hatte überhaupt nicht bemerkt, dass seine Schritte langsamer geworden waren.
    „Ja“, gab er zu. „Irgendetwas hieran begeistert und fesselt mich und …“ Die Worte blieben ihm im Halse stecken. „Siehst du das?“ Seine Beine trugen Elias ungefragt zu dem großen, mit Statuen geschmückten und verwitterten Bogentor der Kirche. „Das Licht?“
    Ein gedämpfter Strahl fiel aus den hohen Buntglasfenstern auf die Kieselsteinchen des schmalen Pfades, auf dem die beiden stehen geblieben waren. Es war ein flackerndes, warmes Licht. Ein anziehendes Licht.
    „Sag mal, spinnst du?“ Blitzschnell ergriff Nico Elias’ Arm und hinderte ihn daran, näher heranzugehen. „Du hast keine Ahnung, wer zur Hölle da drin ist, und willst mir nichts, dir nichts da reinspazieren? Lass uns verschwinden, ja?“
    Mühsam wandte Elias den Blick von dem Schein ab und sah seinen Freund verwundert an. Dieses Verhalten passte nicht zu Nico. Er war stets derjenige, der vor nichts zurückschreckte. Hatte er etwa Angst? Wovor? Sollte Elias vielleicht auch Angst haben?
    „Wir werden ein anderes Mal hierher kommen, versprochen. Aber jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt. Komm, lass uns gehen.“
    Nico, der seine körperliche Überlegenheit sonst nie ausnutzte, zog Elias mit der freien Hand wie ein kleines Kind hinter sich her. Er jedoch starrte noch auf das Licht zurück, als es bereits weit hinter ihnen lag.
    Und eine leise Stimme in seinem Inneren flüsterte, dass Nico ganz genau wusste, was sich in diesem Augenblick hinter den Kirchenmauern abspielte.

Kapitel 2
    K USS
     
    Gähnend ließ Elias die Eingangstür ins Schloss fallen. Seine Wohnung lag ruhig vor ihm, denn er lebte seit einigen Jahren alleine. Aufgrund seines Studiums hatte er von Zuhause ausziehen müssen, da die Fahrt bis zur Uni andernfalls zu viel Zeit in Anspruch genommen hätte. Zu Beginn war Elias chronisch knapp bei Kasse gewesen, was sich glücklicherweise änderte, sobald er gelernt hatte, mit seinem schmal bemessenen Budget umzugehen. Der größte Nachteil am Auszug bestand eher darin, seine geliebten Eltern und vor allem seine fünfjährige Schwester Ines nur noch unregelmäßig sehen zu können. Er vergötterte das kleine Mädchen, das, wenn es erwachsen war, unbedingt Prinzessin oder Meerjungfrau werden wollte. Sie bedeutete ihm alles und die Entfernung zu ihr war nur dank beinahe täglicher Telefonate einigermaßen erträglich.
    Mit schwachen Beinen trat Elias in sein Schlafzimmer. Die Lampe schaltete er nicht ein, da es sein einziges Ziel war, ins Bett zu fallen. Doch wegen seiner Müdigkeit dauerte es schrecklich lange, bis er sich Shirt und Jeans vom Körper gestrichen hatte. Seine Bewegungen waren unkoordiniert und schleppend. Nach einer gefühlten Ewigkeit hatte Elias es endlich geschafft. Bevor er sich aber unter der Bettdecke verkriechen konnte, fiel ihm etwas ins Auge, das aus seiner Hosentasche auf den schwarzen Teppich gerutscht war:
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