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Blutige Küsse und schwarze Rosen

Blutige Küsse und schwarze Rosen

Titel: Blutige Küsse und schwarze Rosen
Autoren: Irina Meerling
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es mich erklären: Jeder Mensch hat einen Traum. Einen Wunsch, den er sein Leben lang mit sich herumträgt und ihn nicht auszusprechen wagt. Hab ich recht?“ Er musterte Elias eindringlich und sprach weiter, ohne seine Bestätigung abzuwarten: „Ich möchte, dass du mir diesen einen Wunsch – den vielleicht verrücktesten von allen – verrätst. Denn ich werde ihn dir erfüllen.“
    Bei diesen Worten und dem intensiven Blick, der ihn traf, kitzelte ein kühler Schauer Elias’ Rücken. Kannte Nico sein Geheimnis? Seinen innigsten Wunsch? Elias hatte sich tatsächlich nie getraut, ihn auszusprechen – nicht einmal gewagt, ihn anzudeuten. War es möglich, dass Nico dennoch längst Bescheid wusste? Was aber sollten dann die Sticheleien mit Amelie? War das der Versuch gewesen, ihn aus der Reserve zu locken?
    „Egal, was für ein Wunsch es ist?“
    „Nein, nicht ganz“, erwiderte Nico zögernd. „Er muss dir am Herzen liegen wie kein anderer. Der eine Wunsch, dessen Erfüllung gewissermaßen undenkbar erscheint. Aber wenn du dir das Bild hier anschaust, wirst du erkennen, dass ich ihn dir erfüllen werde. Ich denke, wir beide wissen, wovon ich rede … Du solltest dir natürlich in jedem Fall über die Konsequenzen bewusst sein. An die musst du unbedingt denken.“
    Die Konsequenzen.
    Derer war er sich sehr wohl bewusst. Die Konsequenzen waren überhaupt der einzige Grund, weshalb Elias seinen Wunsch schon so lange für sich behielt und vor niemandem äußerte. Würde ihm Verständnis zuteilwerden oder würde er auf Zurückweisung stoßen? Welche Veränderungen würde sein Wunsch mit sich ziehen?
    „Muss ich mich sofort entscheiden?“
    Er brauchte Zeit. Zeit zum Nachdenken und Abwägen. Zeit, um sich darüber klar zu werden, was es für seinen Freund bedeutete, würde er sein Anliegen wirklich werden lassen – und für ihre Freundschaft.
    „Du hast einen Monat, um es dir gründlich zu überlegen.“
    Ein Monat.
    Dreißig Tage zum Nachdenken.
    Und dreißig Tage des Wartens.
    Würde Elias so lange durchstehen können? Dabei sehnte er sich bereits eine gefühlte Ewigkeit nach diesem Moment; machten dreißig Tage da noch einen Unterschied? Andererseits war Elias selbst nach dieser Ewigkeit zu keinem Entschluss gekommen. Warum also sollten weitere dreißig Tage daran etwas ändern?
    Er sah auf den Schnappschuss in seiner Hand nieder. Es waren unvergessliche Stunden gewesen. In jener Nacht hatte Elias einen Freund fürs Leben gefunden. Einen Freund, wie es keinen zweiten geben konnte. Und dieser hatte recht: Wenn Elias sich das Bild anschaute, wurde ihm klar, dass Nico ihm jeden Wunsch erfüllen würde. Umgekehrt wäre es genauso.
    „Und wenn ich nicht noch länger überlegen will?“
    Nico fuhr sich durch das zerzauste Haar und schaute aus dem großen Fenster der Festhalle, aus dem man nichts weiter als Felder sehen konnte. Es dauerte eine Weile, bis er endlich antwortete, und Elias fragte sich, was ihn zögern ließ.
    „Wenn du dir absolut – wirklich einhundertprozentig – sicher bist, wäre es schon morgen denkbar.“
    Elias nickte ganz spontan. Denn ihm war klar, dass alles Grübeln der Welt ihm die Entscheidung nicht leichter machen und ihn nicht weiterbringen würde.
     
    ***
     
    Der Alkoholkonsum und die vorangeschrittene Uhrzeit hatten ihre Spuren bei Elias hinterlassen. Er trottete leicht taumelnd neben Nico her. Der hingegen sah aus, als hätte er eben erst einen langen, wohltuenden Schlaf hinter sich. Und so war Nico kurzerhand dazu verdammt worden, den provisorisch mit Geschenken befüllten Müllbeutel zu tragen.
    Im gemütlichen Tempo schlenderten sie beide die dunklen Straßen entlang. Der angenehme Sommerwind fuhr lau unter Elias’ pechschwarze Kleidung und strich ihm sanft wie eine Liebkosung über Haut und Haare. Es war kein sehr langer Weg bis zu seiner Wohnung, weshalb er zu Fuß gekommen war. Die Müdigkeit in seinen Knochen aber zog jede Minute unerbittlich in die Länge.
    „Kipp mir ja nicht um“, mahnte Nico belustigt und warf den Beutel lässig über seine Schulter. „Sonst muss ich dich Sack auch noch tragen!“
    Ein freundschaftlicher Hieb in die Seite ließ Elias über seine eigenen Füße stolpern. Doch ungeachtet des kleinen Kraftaktes, der darin bestand, zurück ins Gleichgewicht zu kommen, gähnte er im nächsten Moment herzhaft.
    „Heute werde ich trotz Vollmond schlafen wie ein Baby“, meinte er mit Blick in Richtung Himmel, wo die große, leuchtende Scheibe nur von
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