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Blutherz - Wallner, M: Blutherz

Blutherz - Wallner, M: Blutherz

Titel: Blutherz - Wallner, M: Blutherz
Autoren: Michael Wallner
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gefühllose, uralte Herz; mit einem einzigen Griff riss sie es dem Vampir aus der Brust. Sie stand da, voll Leben, voll Kraft – das
Herz in ihrer Hand, aber war nichts als ein unansehnlicher Sack, grau wie Asche. Als Sam das Herz seinem Besitzer entgegenhielt, zerfiel es bereits zu Staub.
    Valerian sah die Vernichtung seiner Existenz mit eigenen Augen, sah den Staub zwischen den Fingern seiner Tochter zerrieseln. Er warf einen hasserfüllten Blick zu der höchsten Instanz, die ihn verurteilt hatte. Nur ein einziges Wort war dem Vampir noch vergönnt: »Warum?« Während er es aussprach, wurde seine Stimme dünn und hoch wie die eines Kindes, der alte Vampir verwandelte sich in Nebel, der Nebel verflüchtigte sich in Dunst, im Moment darauf hatte Valerian Kóranyi aufgehört zu existieren.
    Erschöpft und entgeistert wischte Sam ihre Hände ab, kein Staubkorn des Gegners – ihres eigenen Vaters! – sollte an ihr bleiben. Der Kampf hatte ihre letzten Kräfte verbraucht, selbst der Saft der Kirsche hielt sie nicht länger auf den Beinen. Als sei sie von tiefer Ohnmacht befallen, sank sie rücklings auf den Stein. Mit geschlossenen Augen nahm sie wahr, dass der dunkle Fürst immer noch da war und über sie wachte. Sie nahm wahr, dass ein vertrautes Wesen sich zu ihr gesellte. Die Mönche hatten Richard losgelassen, er kam an ihre Seite, Sam fühlte seine Hand und war sich seines besorgten Blickes bewusst. Nun brauchte sie sich nicht länger zusammenzunehmen, konnte es geschehen lassen, dass ihr Leib sich voll Zuversicht öffnete. Sie wurde von neuerlichen Schmerzen geschüttelt, gleichzeitig war die Freude in ihr, dem schrecklichen Übel entronnen zu sein. Endlich durfte sie sich auf das unbekannte Erlebnis freuen; sie durfte nun Mutter sein.
    Kurz darauf wurde das Kind geboren. Sein Eintritt ins Leben hallte als lautes Weinen von den kalten Mauern wider.

43
    A uf Geheiß der dunklen Macht, die jene Berge beherrschte, wurden die junge Mutter, ihr Kind und der Vampir aus der Kirchenfestung in das Hochtal hinuntergebracht, wo Bogdán Voronedz sie zum zweiten Mal aufnahm. Es dauerte volle sechs Tage, bis Sam sich von den übermenschlichen Qualen erholte. Staunend und anfangs noch mit Zurückhaltung betrachtete sie ihren Sohn. Es war nichts Ungewöhnliches an ihm – ein kleiner Junge mit schwarzem Haar und großen fragenden Augen. Sam fand sich in dem kleinen Gesicht kaum wieder, viel eher hatte es Teddies Züge und zugleich – nicht ohne Schmerz gestand sie es sich ein – Merkmale des alten Kóranyi. Zu Sams großer Erleichterung verlangte der Kleine die natürliche Nahrung eines Neugeborenen: Muttermilch. Sie stillte ihren Sohn, sah ihn einschlafen und erwachen, sie selbst schlief häufig in diesen Tagen und freute sich, dass ihre beiden Wächter, Richard und Bogdán, sich währenddessen rührend um den Kleinen kümmerten. Woher der schrullige Voronedz in der schwer zugänglichen Einöde auf einmal Windeln aufgetrieben hatte, wieso neben Samanthas Schlaflager ein schlichtes, aber hübsch gezimmertes Babybettchen stand, woher die Höschen und Söckchen und die gestrickte Kopfbedeckung stammten, war ihr zunächst unerklärlich. Sam fehlte in den ersten Tagen die Kraft, solchen Dingen auf den Grund zu gehen. Auch einen Namen für den Kleinen hatte sie noch nicht gefunden. Aber je mehr ihre Lebensgeister zurückkehrten, desto zahlreicher und drängender stellten sich Fragen bei ihr ein. Im Rückblick erschien es ihr kaum glaubhaft, was in der Bergfestung geschehen war. Hatte sie, die Siebzehnjährige, tatsächlich ihren Schwiegervater, mehr noch, ihren eigenen Vater,
getötet? Hatte sie sich wirklich mit übernatürlicher Kraft und aus einem unerklärlichen Wissen heraus der Macht des Barhyaghtar-Extrakts bedient, um den mächtigsten Vampir, den Beherrscher des Clans der Untoten, zu überwinden? Bald sah Sam ein, dass sie es ohne die Hilfe eines noch Mächtigeren nicht hätte vollbringen können. Aber welchen Grund mochte der dunkle Fürst gehabt haben, seine schützende Hand über sie zu halten und seinen mächtigsten Gefolgsmann vernichten zu lassen? Noch mehr als die Gründe besorgten Sam die Folgen ihrer Tat. Sie hatte Teddies Vater getötet; musste der Sohn nicht grausame Rache an ihr nehmen? Wieso war Taddeusz bei der Geburt nicht dabei gewesen, warum kam er selbst jetzt nicht, um das Kind in seine Macht zu bringen? Und wie sollte es weitergehen im Irrsinn dieser Familienverhältnisse: Samantha war die Mutter von
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