Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutheide

Blutheide

Titel: Blutheide
Autoren: K.Hanke und C. Kröger
Vom Netzwerk:
zumindest. Die seelischen Schäden zu reparieren, würde deutlich länger dauern, das war allen klar.

    Katharina lehnte sich an Benes Schulter, kaum dass Ben und Tobi losgelaufen waren. Ihr fehlten sowohl die Kraft als auch der Wille, noch länger die Starke zu spielen. Sie sah die Sanitäter um die Ecke kommen und deutete schwach auf Laura, die in Benes Jacke gewickelt zusammengesackt in Katharinas Schoß lag.
    »Kümmern Sie sich zuerst um die Kleine! Sie ist stark unterkühlt und geschwächt.«
    Nachdem einer der Notärzte Laura hochgehoben und auf eine Trage gelegt hatte, ließ Katharina sich ohne Gegenwehr stützen und in eine Wärmedecke einhüllen. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass Bene bereits seit geraumer Zeit ihre Hand hielt. Als sie zu ihm aufsah, bemerkte sie seinen besorgten Blick, der so gar nicht zu dem coolen Bene passte, den sie bisher kennengelernt hatte. Trotz des Geschehenen musste sie lächeln. Sie genoss es, dass jemand an ihrer Seite war, der sich um sie sorgte. Auf dieses Gefühl hatte sie schon einige Zeit verzichten müssen und sie spürte, wie sehr es ihr gefehlt hatte.

Der Geist ist Sieger, er sieht heiter,
    Mit froh und unumwölkten Blick
    Auf die Vergangenheit zurück,
    Und schreitet ewig immer weiter!
    (Friederike Kempner)

Epilog
13.47 Uhr
    Es war nur ein kurzer Weg von der Hütte bis hierher gewesen, darum hatte er sich auch immer noch nicht wieder beruhigt. Doch er wusste ganz genau, was jetzt zu tun war. Wenigstens eines war ihm geblieben: sein Verstand! Mit zitternden Händen schloss er seine Wohnungstür auf, trat ein und schmiss sie hinter sich zu, ohne sie wie sonst zweimal wieder abzuschließen. Das war heute nicht notwendig. In der Hand hielt er die Frauenhandtasche, die er aus der Hütte mitgenommen hatte. Er feuerte sie achtlos in eine Ecke seines Flurs. Auch sie brauchte er nicht mehr. Er hätte sie genauso gut in der Laube lassen können, hatte sich aber wenigstens einmal mit ihr kleiden wollen.

    Wie bei einem Tinnitus hatte er das penetrante Rauschen des Verkehrslärms in seinen Ohren, das durch Mauern und Fenster drang. In den letzten Nächten hatte es sich immer wieder in seinen Schlaf geschlichen und dann nervte es, doch in der Regel hörte er es kaum mehr. Zu lang wohnte er schon hier an der viel befahrenen Hamburger Straße. Jetzt war er regelrecht froh über den vertrauten Klang. Er lenkte ihn von dem anderen Geräusch ab, dem Schrei: »Laura!«
    Der Schrei saß nicht in den Ohren. Er saß in seinem Kopf. Und immer und immer wieder wiederholte sein Kopf diesen falschen Namen. Herausposaunt von der Frau, die eben noch ihren roten Kopf in seinen Keller gesteckt hatte und jetzt dort festsaß. Sollte sie doch dort verrotten. Genauso wie das falsche Kind! Genauso wie die beiden Alten, seine Eltern, die mit ihnen in dem Keller lagen und allein durch ihn wieder vereint ihre Knochen liebevoll aneinanderschmiegten.

    Dabei hatte er die Rothaarige einweihen wollen. Sie zu seiner Verbündeten machen wollen, wie Jesus einst seine Maria Magdalena, wie Caesar seine Kleopatra. Der Gedanke war ihm bereits gekommen, als er sie im Verlag am Empfang hatte stehen sehen. Nachdem sie ihm dann in der Cafeteria ihre Vermutungen aufgetischt hatte, hatte der Gedanke sich langsam gefestigt. Christofer und Katha…

    Es war nicht ihre Weiblichkeit, die ihn fasziniert hatte. Es war ihr Intellekt gewesen. Ihre klare, deutliche Art, die Dinge zu sehen und zu benennen. Ihre Eigenständigkeit, ihre Entschlossenheit und ihr Mut, mit ihm zu gehen. Und es war diese Aura der Einsamkeit gewesen, die sie umgab und die er so gut von sich selbst kannte. Sie wäre genau die Richtige gewesen, um sein Meisterstück zu verstehen, zu verbreiten und, wenn nötig, zu erklären. Als sie ihm dann jedoch durch ihren Ruf »Laura!« zu verstehen gegeben hatte, dass er einen unwiderruflichen Fehler in seiner Choreografie begangen hatte, hatte er sich nicht halten können. Er hatte einfach zugeschlagen und zugesehen, wie sie in die Grube stürzte – er fühlte noch immer das Prickeln, das sein Schlag an seiner rechten Handaußenseite hervorgerufen hatte. Dann hatte er voller Wucht die Bodenluke zugeworfen und wie ein verletztes Tier gebrüllt, bis sich sein Brüllen in einem Namen manifestiert hatte: »Laura?«

    Wie hatte ihm das nur passieren können? Er hatte das Mädchen beobachtet. Das Mädchen Leonie, die kleine Bastard-Tochter von diesem Bullenbruder, Benedict Rehder. Er hatte sie fotografiert. Genauso wie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher