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Blutfeuer

Titel: Blutfeuer
Autoren: Helmut Vorndran
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dunstigen,
schwülheißen Luft hatten sich rings um den kleinen Fischkutter der Familie
dunkle Wolkentürme gebildet. Nur direkt über ihnen schien die Welt noch in Ordnung
zu sein. Durch eine kreisförmige Lücke zwischen den rapide anwachsenden
Gewitterwolken grüßte die Sonne und brannte ihre heißen, frühmorgendlichen
Strahlen unbarmherzig auf das Boot hinunter. Doch diese Lücke wurde zusehends
kleiner, und es war wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis die Wolken den
Sonnenstrahlen ihren Weg auf die Erde endgültig versperren würden.
    Nicht, dass auch nur ein Mensch im gesamten Mittelmeerraum der Sonne
hinterhertrauern würde. Ganz und gar nicht. So einen Sommer hatte bisher
niemand erlebt. Eine unglaubliche Hitze hatte die Länder von Gibraltar bis zur
türkischen Küste im Griff. Seit Monaten wollte es nicht mehr regnen. Sämtliche
Anrainerstaaten litten unter massiven Wasserproblemen und kämpften mit
Tausenden von hitzebedingten Todesfällen. Die Wassertemperatur der Adria hatte
zweiunddreißig Grad erreicht, bei Side in der Türkei lag sie bereits darüber.
    An den italienischen Küsten war das Baden schlichtweg unmöglich
geworden, da man der Algenplage nicht mehr Herr wurde und ein
undurchdringlicher, ekliger grüner Teppich an die ansonsten so beliebten
Touristenstrände angedockt hatte. Um die Mittagszeit befand sich von Málaga bis
Nikosia niemand mehr im Freien. Es war einfach nicht mehr auszuhalten. Bei
siebenundvierzig Grad im Schatten dösten die Menschen nur noch an einem
halbwegs kühlen Platz vor sich hin und schalteten die Klimaanlage auf die
höchste Stufe, so sie denn eine besaßen.
    Stavros und sein Vater waren an dem Tag bereits vor Sonnenaufgang
aufgebrochen, um der Mittagsglut zu entgehen. Trotzdem: So wie es aussah, war
es wohl besser, gleich wieder umzukehren. Stavros wusste, wann es an der Zeit
war, auf seinen Vater zu hören. Dieser fand Fische, wo kein Echolot etwas
anzeigte, er wusste, wann es regnen würde und wann nicht, und er hatte einen
siebten Sinn für Stürme und sonstige Gefahren des Meeres. Wenn Angelos
Chalkidikis zum Umkehren riet, war es ganz bestimmt besser, seinem Rat zu
folgen. Also warf sein Sohn den Motor des alten Fischkutters an, wendete in
einem engen Halbkreis und nahm Kurs auf das heimatliche Kreta. Auch über ihnen
verkroch sich nun die Sonne hinter den aufbegehrenden dunklen Wolkentürmen, die
immer schneller in den Himmel wuchsen. Ein leichter Wind begann zu wehen.
    Drei Monate zuvor
    Was war das nur für ein wunderschöner Frühling am Comer See! Ein
außergewöhnlich milder März in Norditalien. Die Natur war ihrer Zeit weit
voraus und erging sich in fröhlichem Blühen. Die Wärme lockte bereits die
ersten Sommertriebe der Flora ans Licht.
    Achim Königer saß auf der Veranda seiner Villa im schönen Örtchen
Laglio, nur einen luftigen Kilometer vom bombastischen Palazzo George Clooneys
entfernt, konnte sich aber über die klimatischen Umstände in keiner Weise
freuen. Erstens gab es bei solch warmen Temperaturen auch die ersten lästigen
Stechmücken, die auf ihn reagierten wie ein Alkoholiker auf hochprozentigen
Rum, und zweitens kreisten seine Gedanken bereits seit Wochen um sein abruptes
Abtreten als Bankmanager. Das schnelle, unrühmliche Ende eines bemerkenswerten
Aufstiegs. In einer kleinen Filiale der Bamberger Sparkasse hatte er seine
beeindruckende berufliche Laufbahn begonnen, die schließlich in der
Vorstandsetage der Hypovereinsbank in München endete. Über die Jahre arbeitete
er sich Ebene für Ebene nach oben, hatte zum Schluss das Ziel, an die Spitze zu
kommen, fast erreicht. Er, der kleine Bamberger Junge, wäre fast
Vorstandsvorsitzender des größten bayerischen Finanzinstitutes geworden. Auch
wenn die Bank nun eigentlich eine italienische war. Sogar die Villa am Comer
See hatte er sich gekauft, um seine Verbundenheit mit der italienischen Mutte r
zu demonstrieren. Er hatte alles getan, um seine Karriere in diesem Bankhaus zu
fördern. Wirklich alles. Aber auch alles hatte eben nichts genutzt. Wegen eines
lächerlichen Betrugsverdachtes hatte er gehen müssen. Natürlich waren die
Anschuldigungen wahr gewesen. Natürlich hatte er versucht, seine Bonuszahlungen
in Zeiten der globalen Finanzkrise zu sichern. Aber das taten doch alle, vor
allem die Investmentbanker, welche die ganze Scheiße erst angerührt hatten.
Alle wollten ihre Schäfchen ins Trockene bringen. Aber ausgerechnet ihn hatten
sie erwischt. Er musste als Bauernopfer
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