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Blutfehde

Blutfehde

Titel: Blutfehde
Autoren: Linda Fairstein
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ursprünglichen City-Hall-Station. Die Haltestelle ist viel zu kurz für die modernen U-Bahn-Züge, also wird sie nur zum Wenden benutzt.«
    »Von den Zügen der Linie sechs?«
    »Ja, der Zug wendet und kommt auf dem gegenüberliegenden Gleis wieder in die Brooklyn-Bridge-Station eingefahren, um nach Norden in Richtung Uptown zu fahren. Für die Schleife geht er so tief unter die Erde, dass die Expresszüge über ihn hinwegfahren können.«
    »Ein typisches Sandhog-Projekt«, sagte ich. »Und eine Geisterstation. In Trishs Wohnzimmer hängt sogar ein Foto von Duke, Brendan und ihrem Vater in der City-Hall-Station.«
    »Das hast du gesehen? Es würde zu Phins Theorie passen. Es wäre nur logisch, dass Brendans Vater ihnen den Bahnhof zeigen wollte. Bis vor ein paar Jahren hat die Verkehrsbehörde noch Führungen veranstaltet.«
    Als der Zug anhielt, kam die Durchsage, dass die Endstation erreicht war.
    Mike ging zu dem Fahrer und zückte seine Dienstmarke.
    »Sie müssen hier aussteigen, Kumpel. Es ist mir egal, wer Sie sind. Nehmen Sie Ihre Braut und gehen Sie.« Der Fahrer drehte uns wieder den Rücken zu und wollte die Tür hinter sich zuschieben.
    Mike blockierte die Tür mit seinem Körper. »Wir kommen mit.«
    »Ich darf niemanden spazieren fahren. Das ist gegen die Vorschriften. Sie sollten das wissen.« Der junge Mann wurde immer ärgerlicher. »Ihretwegen verspäte ich mich.«
    »Und Ihretwegen werde ich wütend. Los, fahren Sie.«
    »Das kann mich meinen Job kosten.«
    »Fahren Sie langsam«, sagte Mike, als der Zug in einen dunklen Tunnel bog. Der Zug neigte sich nach rechts, ich hielt mich an der Lehne der ersten Sitzbank fest.
    »Halten Sie an! Genau hier.«
    »Zuerst wollen Sie mitfahren, und dann wollen Sie, dass ich stehen bleibe. Das kann ich nicht«, protestierte der Fahrer.
    »Und ob.« Mike schlug seine Jacke weit genug zurück, sodass die Pistole an seiner Hüfte zu sehen war.
    Noch ein abrupter Stopp und die Türen gingen auf.
    »Spring, Coop. Aber sei vorsichtig.«
    Ich hielt mich am Türgriff fest und ließ mich auf die Plattform hinabgleiten, während ich mich an die Dunkelheit zu gewöhnen versuchte. Mike folgte mir, dann schloss der Fahrer die Türen und fuhr davon. Im flackernden Lichtschein konnte man die gewölbte Decke über der schmalen Plattform und den Schriftzug CITY HALL erkennen, der in tiefblauen und braunen gläsernen Lettern an der Wand stand.
    Das Rattern des Zugs verlor sich in der Ferne. Um uns herum herrschte Dunkelheit und Grabesstille.
     
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    Mike und ich blieben einige Minuten wortlos stehen. Ich spitzte die Ohren, um zu hören, ob sich außer uns sonst noch jemand in diesem großen Gewölbe befand. Langsam gewöhnten sich meine Augen an die Dunkelheit. »Hast du einen Plan?«, flüsterte ich Mike ins Ohr.
    Er nickte, führte den Zeigefinger an die Lippen, zeigte dann auf die Gewölbedecke über mir und flüsterte: »Das Echo.« Ich hätte nicht gedacht, dass er mir noch näher kommen könnte, als er sich zu mir beugte und eine Hand über meine Ohrmuschel legte. »Ich weiß, wo es hier langgeht. Ein gutes Versteck.«
    Mein Puls raste. Ich fand die Stille um uns herum beängstigend. »Weißt du auch, wie wir hier wieder rauskommen?«
    Mikes Zähne blitzen in der Dunkelheit weiß auf. » Natürlich. Sonst würde ich gar nicht erst reingehen. Und außerdem ist Mercer über uns und passt auf dich auf. Wir gehen los, sobald wir den nächsten Zug kommen hören.«
    Fast sechs Minuten verstrichen, bevor das Scheinwerferlicht der silbergrauen U-Bahn die gekrümmten Wände anstrahlte und das Quietschen der Eisenräder zu hören war.
    Mike lief, noch immer humpelnd, zu einer zirka zehn Meter entfernten Treppe, stieg die ersten Stufen hoch, drehte sich dann zur Seite und drückte sich ans Geländer, während der Zug durch die Station fuhr. Ich machte es ihm nach.
    Ich blickte nach oben, um die natürliche Lichtquelle zu finden, die den Treppenschacht erhellte. Vermutlich gab es irgendwo ein Oberlicht, durch das die letzten Sonnenstrahlen dieses Junitags aus dem Rathauspark nach unten fielen.
    Von meinem Standpunkt aus konnte ich die Schönheit der ursprünglichen Architektur noch gut erkennen. Der Tunnel, der ganz ohne Geraden gebaut war, beschrieb ein halbkreisförmiges Gewölbe, das zu beiden Seiten aus meinem Blickfeld verschwand. Von der gekachelten Decke hingen Messingleuchter, in denen die Glühbirnen fehlten.
    Ich versuchte mich zu beruhigen, indem ich das hundert Jahre
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