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Blutbuchen - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners erster Fall) (German Edition)

Blutbuchen - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners erster Fall) (German Edition)

Titel: Blutbuchen - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners erster Fall) (German Edition)
Autoren: Heike Schroll
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heutzutage kaum noch jemand zu schätzen. Der Junge, der dort als Ladenhilfe rumläuft, hat sich nur grinsend den Groschen geschnappt. Ich frage mich ernstlich, was denen heute noch in der Schule beigebracht wird.«
»Genau. Aber was erwartest du? Denk bitte nur an die Lehrer, meist viel zu jung, um ordentlich erziehen zu können.«
Laura zählte sich mit ihren Anfang dreißig ganz bestimmt noch zu den jungen Leuten und teilte diese Auffassungen keineswegs, dennoch wusste sie, dass das Getratsche der Leute in den allermeisten Fällen nicht böswillig war. Wahrscheinlich rührte es aus archaischen Zeiten dörflicher Gemeinschaften her, als die Information übereinander oft genug die Voraussetzung für gegenseitige Hilfe und Gefahrenabwendung war. Für Städter blieb dieser Dorftratsch zumeist unverständlich und war Gegenstand spöttischer Bemerkungen. Allerdings hatte Laura einen Großteil ihrer Kindheit in der Altmark verbracht und wusste diese Informationsquelle ebenfalls zu schätzen.
Emily Winter nickte ihrer Schwester ermutigend zu und betonte: »Lass uns erst mal nach Hause kommen und etwas ausruhen. Es müsste auch noch ein Stück vom Schokoladenkuchen da sein.«
Laura erinnerte sich sogleich an die Geburtstage ihrer Großmutter, bei denen solch ein Schokoladenkuchen stets das köstlichste Geschenk von Großmutters Freundin und Nachbarin Edeltraud Weber war: Sie kam meist ganz früh »vor der Arbeit« – noch im Dunklen zum Gratulieren; ein großes Kuchenblech unter dem Arm in die Seite gestemmt. Großmutter hatte sich stets so gefreut. Die Frauen drückten sich und sprachen sich Mut und Gesundheit zu. Den ganzen Vormittag genoss Laura den Duft des Kuchens und die Vorfreude auf die Kaffeerunde am Nachmittag. Dann würde es die Leckerei aus Biskuitteig, Schattenmorellen und einer dicken Schokoladenglasur geben und sie konnte naschen, bis alles aufgegessen war – was sie aber nie geschafft hatte.
Je näher der Zug der Heimat ihrer Vorfahren kam, desto wärmer wurde Laura ums Herz. Sie freute sich auf das kleine Haus, welches sie schon vor Jahren von ihren Großeltern geerbt hatte; auf Spaziergänge durch bunte, pilzduftende Herbstwälder, Nachmittage auf dem Sofa mit einem Schmöker aus Großvaters Bücherschrank, die gute altmärkische Küche und die Besuche bei ihren Freunden aus glücklichen Kindheitstagen.
Als stünde nichts bevor ...
     
     
    ~ 2 ~
     
    Außer Laura waren nur wenige Reisende in Gardelegen aus dem Zug gestiegen. Die Bahnhofsuhr zeigte auf drei viertel zwölf und die Mitreisenden, die nicht abgeholt wurden, beeilten sich, um den Überlandbus zu erreichen, der auf dem Bahnhofsvorplatz wartete.
Auch Lauras Abteilgefährtinnen nutzten diese preiswerte Möglichkeit, nach Waldau zu gelangen, nicht ohne sich nochmals nach Laura umgesehen zu haben. Vielleicht hatten sie sich doch dunkel an sie erinnert und hofften nun, durch ihr Reiseziel Aufschluss über ihre Person zu erhalten.
In Erwartung des Chauffeurs vom Gut ließ Laura jedoch den Bus abfahren und geduldete sich.
Eine andere Frau schien, wie Laura, verwundert, dass niemand zu ihrer Begrüßung gekommen war. Sie war ungefähr im selben Alter und bequem, aber anspruchsvoll gekleidet. Sie gehörte zu den Frauen, die mit kürzer geschnittenen Haaren wunderbar elegant aussahen. Die dunkelblonden Wellen passten zu dem offenen Gesicht, das man nicht so leicht vergaß. Der bordeauxrote Hosenanzug stand ihr hervorragend, die Schuhe und die Handtasche waren von guter Qualität. Wegen des wärmenden Sonnenscheins hatte die Frau ihren Mantel ausgezogen und sorgsam auf ihre kleine Reisetasche gelegt. Das Gepäck deutete nicht auf einen längeren Aufenthalt hin, wohingegen Laura sich Kleidung für alle Wetter- und Einladungsumstände eingepackt hatte.
Sie warteten nun beide auf dem kurzen Bahnsteig, jede auf einer anderen Bank sitzend, und lächelten einander ab und zu mitfühlend an. Das gleiche Schicksal wirkte verbindend und die Sonnenstrahlen machten das Warten erträglich.
Das Bahnhofsgebäude war recht hübsch. Der rote Backsteinbau verfügte neben der Schalterhalle und den Diensträumen auch über eine kleine Bahnhofswirtschaft mit einem gläsernen Pavillon. Die zahlreichen Geranien, die in Töpfe, Kästen oder Schalen gepflanzt um das Gebäude und auf dem Bahnsteig verteilt waren, der weiß gestrichene Zaun und der uniformierte Bahnbeamte gaben dem Ganzen eine kitschige Note. Sogar Vögel zwitscherten.
Nach ein paar Minuten begann
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