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Blut und Harz

Blut und Harz

Titel: Blut und Harz
Autoren: Timo Leibig
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ihnen unaufhaltsam entgegenwalzte.
    Ihr Herz setzte aus als sie einfach wusste, dass beide nicht mehr ausweichen konnten. Reimunds Beschwörung war zu breit und zu schnell.
    Der sichere Tod.
    Aus dem Augenwinkel bemerkte sie den Greis, der stumm die runzeligen Hände vor dem Körper verdrehte und abrupt zu Fäusten ballte.
    Die Welt wurde gleichzeitig aus den Fugen gerissen.
    Natalja spürte eine Druckwelle, die sie von den Füßen holte und nach hinten schleuderte. Die Luft wurde ihr mit einem einzigen Schlag aus den Lungen gepresst. Sie bemerkte noch, wie Erik, Alexander und Reimund ebenfalls durch die Luft wirbelten. Ein Maschinengewehr trudelte seitlich davon. Ein Schwall abgestorbenes Laub und Schneeflocken brandeten im nächsten Moment über sie hinweg und raubten ihr die Sicht. Sie spürte Eisklumpen wie Fäuste auf den Boden einhämmern. Die Wände bebten, Stein knirschte und selbst die Luft schien zu flirren.
    Als Natalja auf dem Steinfußboden landete, wurde ihr Blickfeld schwarz. Sie drohte, ohnmächtig zu werden, doch ihr Geist weigerte sich. Nicht jetzt!
    Keuchend sog sie die eisige Luft in ihre Lungen. Ihre Sicht klärte sich wieder, das Schwarz floss zurück.
    Alexander! Erik!
    Mit einem Ruck richtete sich Natalja auf und wollte durch den Kreuzgang in den Hain stürzen, als ein mit knirschendem Eis überzogener Arm sie zurückhielt.
    Der alte Mönch stand vor ihr, seine Roben über und über mit Laub und Schnee bedeckt. Er schüttelte nur entschieden den Kopf. Natalja blieb stehen.
    Ihr Blick huschte verärgert an dem Alten vorbei, doch als sie die drei Männer sah, riss sie ungläubig die Augen auf.
    Alle drei standen nicht weit voneinander entfernt im Kreis.
    Reimund streckte beide Hände von sich, eine auf Alexander gerichtet, die andere auf Erik. Funkelndes Blau waberte schwach zwischen seinen Fingern hin und her.
    Natalja konnte von ihrem Standpunkt aus sein vor Hass verzerrtes Gesicht sehen, gesprenkelt mit Blutflecken, die teilweise verschmiert waren. In seinen Haaren hingen Laub und Tannennadeln.
    Alexander stand mit dem Rücken zu ihr, eine Pistole in Händen, die direkt auf Reimunds Gesicht gerichtet war.
    Erik tat es dem Raben nach. Auch er hatte eine Waffe in den Händen und zielte auf den Mönch.
    Alle drei Männer schienen schwer zu atmen, doch ihre Entschlossenheit war nicht zu übersehen.
    Natalja konnte es nicht länger ertragen. Sie wollte zu ihrem Bruder!
    Sie setzte zu einem Schrei an, doch der alte Mönch fuhr zu ihr herum. Sein funkelnder Blick erstickte ihren Ruf. Er blieb ihr im Halse stecken.
    »Schweig!« zischte er so leise, dass nur sie es hören konnte. »Was gesagt werden muss, muss gesagt werden. Lass sie miteinander reden.«
    »Aber Alex -«
    Sein durchdringender Blick ließ sie abrupt verstummen. Gebannt wanderte ihr Blick vom Mönch zurück auf das Geschehen, was sich am Rande des Hains abspielte.
    Sie hörte Reimund das Wort ergreifen. Seine Stimme klang rau und drohend.
    »Gebt endlich auf! Ihr habt keine Chance. Mir ist zwar vollkommen schleierhaft, wie ihr meine Schöpfung gerade vernichtet habt, aber es spielt keine Rolle mehr. Ihr werdet dieses Kloster niemals lebend verlassen. Selbst wenn ihr mich tötet, ihr könnt es nicht schaffen.«
    Alexander schnaubte. »Aufgeben? Du glaubst wirklich, dass ich aufgeben werde? Ich habe noch nie in meinem Leben aufgegeben und das werde ich jetzt nicht das erste Mal tun. Wo ist Natalja?«
    »Deine Schwester ist hier sicher.«
    Natalja sah die Waffe in Alexanders Hand gefährlich zittern.
    »Woher weißt du, dass sie meine Schwester ist und wo ist sie?« Die Worte kamen schneidend. Man hätte mit ihnen sogar Eisen teilen können.
    »Das geht dich einen Scheißdreck an«, erwiderte Reimund trocken und seine Augen blitzen angriffslustig. »Sie ist nicht länger deine Schwester, denn sie gehört nun zu uns! In ihrer Brust schlägt ein grünes Herz. Genauso wie in meiner und in allen meiner Brüder. Deswegen haben wir sie hierher gebracht. Sie ist für den Dienst im Kloster bestimmt. Daran wirst du nichts ändern können!«
    »DIENST IM KLOSTER! DAMIT DU SIE FICKEN KANNST?« Alexanders Stimme überschlug sich und ließ Natalja zusammenzucken. Noch nie in ihrem Leben hatte sie einen Menschen so hasserfüllt brüllen hören. »Du kannst mich mal!«
    »NICHT SCHIESSEN, ALEXANDER!« kreischte Erik. »Wenn du ihn jetzt tötest, erfahren wir überhaupt nichts mehr. Wir wissen nicht einmal, ob deine Schwester noch hier ist. Und ich will
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