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Blut im Schnee

Blut im Schnee

Titel: Blut im Schnee
Autoren: Sophie R. Nikolay
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allerdings, er würde sie an diesem Tag nicht mehr brauchen, um den Mann anzurufen. Zuvor musste geklärt werden, wie das Opfer den Abend verbracht hatte und dabei konnte Thorsten Klein ihm nun wirklich nicht helfen.
    Auf dem Weg runter in die Stadt hielt er, einer Eingebung folgend, am Aussichtspunkt in der Sickingerstraße an. Im Laufe des Jahres wurden hier etliche Touristen mit dem Bus hochgekarrt, um einen guten Blick auf die älteste Stadt Deutschlands werfen zu können – die nun von diesen Verbrechen überschattet wurde. Joachim konnte sich nicht daran erinnern, wann er zuletzt an dieser Mauer gestanden und auf seine Heimat hinabgesehen hatte. Der Tag brach gerade erst an und die aufkommende Helligkeit ließ eine graue Wolkendecke erkennen. Die Stadt unten schien noch zu schlafen und wirkte friedlich mit der frischen, weißen Pracht, die sich nicht allzu oft ins Moseltal verirrte. Welch ein Hohn, angesichts der grausigen Morde!
    Während er den Blick schweifen ließ, rauchende Schornsteine, beleuchtete Fenster und den Verkehr betrachtete, fuhren seine Gedanken im Kreis. Ganz so, wie die Fahrzeuge auf den winterlichen Straßen unter ihm. Der deutlichste Anhaltspunkt, den er hatte, war der Umstand der alle drei Opfer verband. Homosexualität.
    Als sie den ersten Toten gefunden hatten, waren ihm und den Kollegen zuallererst Rachemotive in den Sinn gekommen. Vielleicht Rache für eine nicht angezeigte Vergewaltigung? Eine Kollegin hatte sogar eingeworfen, das Opfer sei vielleicht ein notorischer Fremdgeher gewesen, dessen Frau einen osteuropäischen Killer angeheuert hatte. Nun ja, sie waren ja nicht in irgendeinem Fernsehkrimi, sondern in der Realität. Die Befragung der Witwe war dann ausgefallen, weil es keine gab. Entsprechend war es der Kollegin nicht erspart geblieben, von dem ein oder anderen im Team damit aufgezogen zu werden.
    Joachim hoffte, dass sie dem Täter rasch auf die Spur kämen, damit es nicht noch mehr Männer erwischte. Es war ihm klar, wenn es nicht zügig mit den Ermittlungen voranging, wäre das früher oder später der Fall. Spätestens in ein paar Tagen, und das war für ihn Ansporn genug.
     
    ***
     
    Als ihm bewusst wurde, dass er noch immer die Hand an der längst geschlossenen Tür hielt, drehte Thorsten sich um. Wie lange er dort gestanden hatte, wusste er gar nicht. Er wusste eigentlich überhaupt nichts. Nur dass Martin tot war. TOT! Es wollte ihm einfach nicht in den Kopf, dass der Mann mit dem sanften Lächeln nie mehr wiederkäme. Dass er nie wieder die Wärme des anderen spüren könnte, nie mehr dessen Stimme hören … nie wieder mit ihm streiten würde, weil Martin jeden Morgen im Waschbecken Rasierschaum und Bartstoppeln zurückließ.
    Thorsten tappte wie ferngesteuert auf das Sofa zu und ließ sich fallen. Nicht nur physisch, auch psychisch. Er schluchzte, bis sein T-Shirt nass von all den Tränen war. Mit einem zittrigen Schnaufer zog er sich das Hemd über den Kopf und wischte Wangen und Nase daran ab. Dann blickte er auf und sah sich um. Das Haus war so leer, wie er sich fühlte. Die Stille, die ihn umgab, war erdrückend und fast so trostlos wie die Winterlandschaft, die ihn jenseits der großen Flügeltüren erwartete. Die kleinen Bäume im Garten waren kahl und auf den dürren Ästen lag eine feine, weiße Schicht. Der Boden bedeckt mit Schnee, der unberührt und so rein schien, dass Thorsten nur noch schreien wollte!
    Stattdessen griff er zum Telefon. Ungeachtet der frühmorgendlichen Uhrzeit ließ er es klingeln, bis die Leitung automatisch unterbrochen wurde, und wählte erneut. Als er dann endlich die verschlafene Stimme von Kim hörte, verließ ihn der Mut.
    „Hallo? Wer ist denn da?“, fragte sie energisch nach.
    „Kim … kannst du vorbeikommen?“, fragte er schließlich mit erstickter Stimme, ehe sie auflegen würde.
    „Thorsten? Was ist denn los?“
    „Bitte komm einfach her“, erwiderte er und drückte das Gespräch weg, weil sich seine Augen erneut mit Tränen füllten.
    Wut stieg in ihm auf. Was ist das nur für ein Verrückter, der anderen das Leben nimmt? Warum war das Schicksal so grausam zu ihm? Hatte er nicht ein bisschen Glück verdient? Vor einem Jahr hatte er sich geoutet und gehofft, endlich frei und glücklich sein zu können. Mit Martin an seiner Seite hatte es sich so gut angefühlt! Und jetzt sollte das alles vorbei sein? Alles zerstört – von einem Irren!
     
    Eine halbe Stunde später klingelte es. Thorsten hatte sich inzwischen
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