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Bloß keine halben Sachen: Deutschland - ein Rollstuhlmärchen (German Edition)

Bloß keine halben Sachen: Deutschland - ein Rollstuhlmärchen (German Edition)

Titel: Bloß keine halben Sachen: Deutschland - ein Rollstuhlmärchen (German Edition)
Autoren: Florian Sitzmann
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Gebäude, dem Science Tower, der weit sichtbar ist und eine auffallend blaue Farbe trägt. Die Stiftung umfasst eine Vielzahl von Hochschulen, Berufsfach- und allgemeinbildenden Schulen, Bildungszentren für Weiterbildung und berufliche Rehabilitation sowie Krankenhäuser und Rehabilitationskliniken. An insgesamt sechs Hauptstandorten, zahlreichen Filialen und Zweigstellen erhalten Menschen im Fall von Krankheit oder Behinderung Ausbildungen, Umschulungen und Hilfe bei der Wahl eines neuen oder erweiterten Berufslebens.

    Die SRH ist in meinen Augen gewachsen und wurde immer präsenter, sodass heute nicht nur Behinderte dort lernen und studieren, sondern auch Menschen ohne Beeinträchtigung. Und weil die Hochschule barrierefrei ist, ist dies auch wirklich möglich. Das ist so gar nicht selbstverständlich! Im Rahmen meiner Recherchen für dieses Buch traf ich ein »Urgestein« der Hochschule der SRH: Prof. Dr. Michael Nagy. Einer, der den Wandel von der Rehabilitation zur Inklusion hautnah miterlebt hat, da er einer der »dienstältesten« Mitarbeiter der SRH ist. In einem Gespräch machte mir Dr. Nagy noch einmal deutlich, dass Lernen und die Arbeit mit behinderten Menschen längst wirtschaftlichen Bedingungen unterliegt und kein Bereich der sozialen Almosen ist. Wer aber einen wirtschaftlichen Blick hat, der nimmt die Sache ernst und öffnet sich nach außen, denn Märkte und Kunden sind das Thema und nicht: »Wie kann ich ein lieber Gutmensch sein«. Also, frei nach dem Film Ziemlich beste Freunde: »Keine Hände, keine Schokolade.« Dieser Blick von einer Art MetaEbene macht alle Studierenden gleich, egal ob sie Beine haben oder nicht, und das ist eine wohltuende Gleichschaltung. Heute studieren allein an der Hochschule der SRH 2.200 Studierende in mehr als 30 Studiengängen und es fällt nicht auf, wer davon im Rollstuhl sitzt und wer nicht. Genauso will ich das! Die Hochschule entwickelt sich und die Lernenden darin ebenfalls. Jüngst wurde von einem Studierenden die Idee entwickelt, wie ein Smartphone für Menschen ohne Arme brauchbar wird, und viele, die dort lernen, überlegen, wie sie als behinderte Menschen der Gesellschaft von Nutzen sein können. Jeder kann hier von jedem lernen. Das ist für mich gelungene Inklusion – und das Ziel, das wir alle anstreben sollten.

Wie hat sich Ihre Bildungseinrichtung in den letzten Jahren verändert?
    Da ist eine ganze Menge passiert. Wir haben uns von einer puren Reha-Bildungseinrichtung zu einer privaten Bildungseinrichtung, die für alle offen ist, entwickelt. Das bedeutet, dass Menschen mit und ohne Handicap gemeinsam die unterschiedlichsten Ausbildungen machen können. Wir sind in dieser Zeit auch insgesamt sehr viel offener geworden. Früher war es so, dass auf unserem sehr viel kleineren Campus die Behinderten unter sich waren. Mittlerweile haben wir ein sehr gutes Mischungsverhältnis zwischen Menschen mit und ohne Handicap. Das ist eine wunderbare Möglichkeit, auch voneinander zu lernen. Soziales Lernen ist ein wichtiger Bestandteil unserer Philosophie.

Was ist in den Köpfen der Menschen in dieser Zeit passiert?
    Ich würde sagen, dass auch da viel Öffnung stattgefunden hat. Als ich vor vielen Jahren angefangen habe, bei der SRH zu arbeiten, war beispielsweise die Beratung noch sehr geprägt von »Wir wissen, was gut für Sie ist«. Heute ist es so, dass wir gemeinsam mit unseren »Kunden« die beste Lösung für ihn suchen bzw. ihn derart beraten, dass er für sich den idealen Bildungsweg findet. Eigenverantwortlichkeit
hat in unserer Arbeit von Beginn an einen hohen Stellenwert.
    Ich finde auch, dass der Umgang, den Menschen mit und ohne Handicap untereinander haben, selbstverständlicher geworden ist, was u. a. auch damit zusammenhängt, dass die Menschen mit Beeinträchtigungen mehr Selbstbewusstsein entwickelt haben. Aber wir sind noch lange nicht am Ende der Fahnenstange angekommen. Es gibt noch viel zu tun.

Und was hat sich bei den Studenten verändert?
    Die SRH war früher eine pure Einrichtung für Rehabilitanten. Der Moment, als wir uns für alle geöffnet haben, war die Initialzündung für einen Prozess, der bis heute andauert. Aus dem Ghetto ist ein offener Raum geworden, in dem sich Menschen mit ihren unterschiedlichen Geschichten und ihren unterschiedlichen Kulturen begegnen und zusammen auch voneinander lernen können. Der Umgang miteinander ist spürbar von Respekt und Toleranz geprägt. Das manifestiert sich an allen Ecken und Enden,
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