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Blonder Kugelfang

Blonder Kugelfang

Titel: Blonder Kugelfang
Autoren: Carter Brown
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Fuß. Ich bin hier geboren,
kenne die Gegend und ein paar Abkürzungen. Als ich in beleuchtete Gegenden kam,
verfiel ich in Trimmtrab, schließlich war ich sportlich angezogen. Wer mich
sah, mußte mich für einen der vielen Spinner halten, die eben nachts traben
statt morgens.«
    »Eines will mir noch nicht in
den Kopf«, sagte ich. »Warum haben Sie mich bloß engagiert?«
    »Als ich nach Hause zurückkam,
sah es hier aus, als sei eine Elefantenherde durchgezogen«, berichtete sie.
»Die Zimmer waren alle durchwühlt. Ich ging hinauf, um nach Samantha zu sehen:
Sie hatten ihr die Kleider vom Leib gerissen, und sie wand sich vor Schmerzen
auf dem Bett.« Tracys Gesicht wurde hart. »Die haben ihr Fürchterliches
angetan, Rick. Aber sie war immer noch nicht bei Bewußtsein . Stillman muß sie das ganze Wochenende über unter so
hohen Dosen gehalten haben, daß ich sie nicht so schnell wieder herunterholen
konnte. Aber ich mußte wissen, wer ihr das angetan hatte, und warum. Deshalb
habe ich Sie engagiert.«
    »Was geschah am nächsten Tag?«
    »Samantha schlief bis Montag abend . Da gab ich ihr noch eine Dosis, aber eine
kleine. Anschließend zog ich meine Reisekleidung wieder an und gab vor, gerade
vom Flughafen zu kommen. Samantha war so schrecklich durcheinander, daß sie es
mir glaubte. Es war echter Gedächtnisverlust bei ihr, Rick.«
    »Ich weiß«, antwortete ich.
»Sie erzählte mir, daß Stillman sie ständig high hielt. Aber heute nachmittag fing sie an, sich zu
erinnern. Bruchstückweise.«
    »Trotzdem muß sie im Unterbewußtsein etwas mitbekommen haben«, sagte Tracy.
»Deshalb haßt sie mich seither so sehr. Irgendwie
ahnt sie, daß ich es war, die Stillman umgebracht
hat. Aber natürlich kann sie es sich nicht bewußtmachen .«
    »Wie geht’s ihr jetzt?«
    »Habe ich Ihnen das nicht
gesagt?« Perplex starrte sie mich an. »Vor etwa einer Stunde ging ich in ihr
Zimmer hinauf, um nach ihr zu sehen.« Ihr Mund preßte sich zu einem dünnen
Strich zusammen. »Sie ist tot, Rick.«
    »Tot?«
    »Eine Überdosis, nehme ich an.
Das nennt man höhere Ironie, nicht wahr? Stillman wollte sie auf genau die gleiche Art vor ein paar Tagen töten, und jetzt hat
sie sich selbst so umgebracht.«
    »Sind Sie ganz sicher, daß sie
tot ist?«
    »Herrgott!« fuhr sie mich an.
»Glauben Sie, ich habe nicht alles versucht, Rick?«
    Sie stellte ihr Glas ab, erhob
sich von der Couch, ging steif zum Schreibsekretär hinüber und holte ein paar
Blatt Papier heraus.
    »Das werden Sie lesen wollen,
Rick«, sagte sie und reichte mir die Blätter. »Samanthas Bekenntnis, aufgezeichnet
von Art Stillman .«
    »Danke.« Mechanisch nahm ich
sie ihr ab.
    »Ich glaube, ich gehe jetzt
hinauf zu Samantha«, sagte Tracy. »Sie war im Dunkeln nie gern allein.«
    Ich begann, die Niederschrift
der Bandaufnahme zu lesen. Stillman hatte gründliche
Arbeit geleistet. Er belastete nicht nur Victor Bonetto ,
sondern hatte auch von allen anderen Beteiligten eine detaillierte
Beschreibung: Bernie Reese, Drogenhandel, Benny Langans Callgirlring , die Klubs der Brüder Perini und Sam Heiskells Mädchenhandel — sie waren alle erwähnt. Art Stillman mußte ein richtiger Streber gewesen sein und hatte offenbar vorgehabt, Bonetto nicht nur auszubooten, sondern seinen Platz
einzunehmen. Mit der Drohung, die dieses »Geständnis« und die Fotos
verkörperten, konnte er die Mannschaft folgsam bei der Stange halten.
    Das ganze Schriftstück war mit
der Maschine getippt, und zwar so fehlerhaft und unerfahren, wie man es von
einer nervenzerrütteten und süchtigen Frau erwartet hätte. Die letzte Zeile war
in Samanthas eigener Handschrift, große, zittrige Buchstaben in absteigender
Linie: »Das alles ist die Wahrheit, und deshalb will ich nicht mehr leben«,
stand da. Und ihre Unterschrift.
    Doch darunter entdeckte ich
noch eine Zeile und eine zweite Unterschrift:
    »Und aus den gleichen Gründen —
weil Samantha hier nämlich die Wahrheit gesprochen hat — bleibt auch mir keine
andere Wahl, als mich umzubringen.« Unterzeichnet: »Tracy Nash.«
     
    Samanthas Leiche lag oben auf
ihrem Bett, mit einer kostbaren Robe bekleidet, in der sie offenbar früher aufgetreten
war. Ihr Haar war ordentlich gebürstet, das Gesicht geschminkt. Die Hände hatte
sie ihr über der Brust gefaltet, die Augen zugedrückt. Ich preßte den
Handrücken gegen ihre Wange: eiskalt.
    Tracy lag ausgestreckt neben
dem Fußende des Bettes. Sie hatte sich den Lauf des Revolvers in den
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