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Blitz: Die Chroniken von Hara 2

Blitz: Die Chroniken von Hara 2

Titel: Blitz: Die Chroniken von Hara 2
Autoren: Alexey Pehov
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Ich wollte das Mädchen nicht allein lassen, nicht in diesem Zustand und nicht, nachdem sie mir das Leben gerettet hatte – aber ich musste Lahen finden.
    Keine Ahnung, was ich getan hätte, wenn Ghbabakh und Yumi nicht aufgetaucht wären. Sie kletterten durch das Fenster herein, beide dick mit Ruß beschmiert. Ihre zufriedenen Gesichter verrieten mir, dass sie die Pferde gerettet hatten.
    »Das ist ein schlechter Ort, Menschlein. Hier gwibt’s nur Tote. Viele Tote.«
    »Aus, du Hund!« Yumi zeigte mit dem Finger auf die Eisstatue. Offenbar genügte es ihm jedoch nicht, die Figur nur anzuschauen: Er fing an, Kira zu benagen, verzog dann aber angewidert das Gesicht. Was auch immer er erwartet hatte, er musste eine herbe Enttäuschung hinnehmen.
    »Wer das gwetan hat, ist längwast wegwa. Hier sind viele Spuren. Hier draußen, meine ich.«
    »Umso besser für uns, wenn er weg ist. Bringt die Frau hinaus. Sie braucht Hilfe. Sucht meinen Freund. Und benehmt euch ihr gegenüber anständig. Sie ist eine Schreitende.«
    Ghbabakh schielte mit verstehendem Blick zu der Eisstatue hinüber und nickte.
    »Das sind meine Freunde, Rona«, erklärte ich der Frau auf alle Fälle noch. »Sie tun dir nichts. Geh mit ihnen, ja?«
    Erstaunlicherweise folgte sie der Aufforderung. Ich stürzte in den Gang, der zur Küche führte. Die Stille, die im ganzen Haus herrschte, jagte mir größere Angst ein, als es eine Begegnung mit einer der Ausgeburten der Sdisser Magie je getan hätte. Oder mit Lepra.
    »Lahen!«, schrie ich. »Lahen!«
    Keine Antwort.
    Von der Tür zum Küchentrakt war nicht mehr als eine Erinnerung an sie geblieben. Der Schlag einer gewaltigen Faust hatte sie in unzählige, lange und spitze Späne zerlegt, die jetzt über dem Boden verteilt waren.
    Im Speisezimmer war der Tisch umgekippt und in der Mitte gespalten. Das weiße Tuch hatte sich mit Minz-Shaf, Marmelade, Honig und Blut vollgesogen. Auf dem Boden mengte sich Essen mit zerschlagenem Porzellan und leuchtend roten Äpfeln. Das Büfett war auf die Seite gefallen und nahm mir die Sicht auf die westliche Ecke des Raums. In den Fenstern fehlte das Glas, durch sie wehte Wind herein, der mit den kurzen roten Gardinen spielte, ohne auf die toten Nekromanten zu achten. Trotz des Zugs hing immer noch ein seltsamer, süßsaurer Geruch in der Luft, der mich in der Nase kitzelte.
    Sechs. Sechs Nekromanten.
    Meine Stiefel zermalmten die Scherben des teuren, feinen Porzellans. Vorsichtig, mich an der Wand haltend, inspizierte ich den Raum. Als ich zu der Stelle kam, die sich meinem Blick bislang entzogen hatte, blieb ich stehen.
    Hinter dem Büfett lag Lepra, die Arme von sich gestreckt.
    Obwohl sie die sechs Nekromanten getötet hatte, war auch sie nicht mit dem Leben davongekommen. Jemand hatte einen günstigen Moment abgepasst und der Alten ein Messer mit einem gelblichen Griff in den Hals gerammt. Der Funkentöter. Diesen Angriff hatte selbst die Verdammte nicht überleben können.
    Der Mörder musste entweder Hals über Kopf geflohen sein oder Angst bekommen haben. Vielleicht interessierte ihn das Artefakt auch bloß nicht mehr … Jedenfalls hatte er die wertvolle Waffe nicht mitgenommen. Er hatte sie an der Stelle zurückgelassen, an die sie gehörte: im Körper der Verdammten.
    Ohne jede Furcht trat ich an die Hexe heran.
    Ihre grauen Haare schienen jetzt wirr und verschmutzt, ihr Gesicht schwammig, gelblich und beleidigt. Die starren, weit aufgerissenen Augen kamen mir vor, als wären sie aus billigem, stumpfem Glas. Ihr Rock hatte sich hochgeschoben und weiße, schlaffe, von unzähligen dicken blauen Adern durchzogene Schenkel entblößt.
    Nichts erinnerte noch an die bedrohliche Lepra, die Abertausenden von Menschen Panik eingeflößt hatte. Vor mir lag nur eine tote, erbärmliche und unglückliche Alte.
    Ich zog das Messer aus ihrer Kehle und wischte es am Tischtuch ab. Dann spähte ich kurz durch die offene Tür in die Küche, in der ein Teig in einer großen Schüssel darauf wartete, verarbeitet zu werden. Zwei Katzen, eine schwarze und eine weiße, schleckten friedlich Milch aus ihren Schalen.
    Ich trat an das Büfett heran und zog eine Schublade heraus. Shens Tasche war noch da, ebenso die vier Pfeilspitzen aus diesem seltsamen Material. Das Messer fehlte. Kurzerhand fügte ich also diesen Schätzen den Funkentöter wieder hinzu. Als ich schon weitergehen wollte, fiel mein Blick auf ein kleines Buch, das wie durch ein Wunder nicht einen Tropfen Blut
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