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Blindes Vertrauen

Blindes Vertrauen

Titel: Blindes Vertrauen
Autoren: Brown Sandra
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Reportagen, historisch bedeutende Nachrichtensendungen und sämtliche Nachrichtenmagazine auf. Alle Kassetten waren alphabetisch nach Themen geordnet. Sie griff zielsicher
nach einer bestimmten Kassette, schob sie in den Recorder und sah sie sich an, während sie mit kleinen Schlucken ihren Wein trank.
    Tod und Beisetzung Robert Rushton Merritts waren ausführlichst dokumentiert worden. Die Tragödie schien doppelt unfair, weil sie den Merritts zugestoßen war, deren Ehe man als mustergültig ansah.
    Präsident David Malcomb Merritt hätte jedem jungen, männlichen Amerikaner, der davon träumte, eines Tages dieses Amt zu bekleiden, als Modell dienen können. Er sah auf klassische Weise gut aus, war sportlich und attraktiv und hatte auf Frauen wie auf Männer eine charismatische Wirkung.
    Vanessa Merritt war die vollkommene Frau an seiner Seite. Sie war einfach atemberaubend. Ihre Schönheit und ihr Südstaatencharme wogen etwaige Mängel spielend auf. Zum Beispiel an Esprit. Und an Klugheit. Sie galt nicht gerade als Intelligenzbestie, aber das schien niemanden zu stören. Die amerikanische Öffentlichkeit hatte sich eine First Lady gewünscht, in die man sich verlieben konnte, und Vanessa Armbruster Merritt hatte dieses Bedürfnis mühelos erfüllt.
    Davids Eltern waren schon lange tot; er hatte keine lebenden Verwandten. Aber Vanessas Vater machte das mehr als wett. Cletus Armbruster vertrat seinen Heimatstaat Mississippi praktisch seit Menschengedenken als erster Senator in Washington. Er hatte mehr Präsidenten überlebt als die meisten Amerikaner sich zu wählen erinnern konnten.
    Zusammen gaben sie ein fotogenes Triumvirat ab, das es an Berühmtheit mit jeder königlichen Familie aufnehmen konnte. Seit J. F. Kennedy hatte kein amerikanisches Präsidentenpaar im In- und Ausland so viel öffentliche Aufmerksamkeit und Bewunderung erregt. Was sie auch unternahmen, wo sie auch auftraten  – einzeln oder gemeinsam –, es erregte Aufsehen.

    Deshalb war ganz Amerika hingerissen, als bekanntgegeben wurde, die First Lady erwarte ihr erstes Kind. Das Baby würde die vollkommene Idylle noch vollkommener machen.
    Die Geburt des Kleinen rief ein größeres Medienecho hervor als das Unternehmen Wüstensturm oder die ethnischen Säuberungen in Bosnien. Barrie erinnerte sich noch gut, wie sie in der Redaktion auf einem Bildschirm den x-ten Bericht über die Ankunft des kleinen Merritts im Weißen Haus gesehen hatten. Howie hatte säuerlich gefragt: »Sollten wir vielleicht Ausschau nach einem hellen Stern im Osten halten?«
    Das einzige Ereignis, das ein vergleichbar großes Medienecho fand, war der Tod dieses Babys ein Vierteljahr später.
    Diese Nachricht stürzte alle in Kummer und Entsetzen. Niemand wollte es glauben. Niemand konnte es glauben. Amerika trauerte.
    Barrie trank ihren Wein aus, spulte die Kassette zum dritten Mal zurück und sah sich erneut die rührenden Bestattungsszenen an.
    Vanessa Merritt, die in Trauerkleidung blaß und tragisch schön aussah, konnte nicht allein stehen. Jedermann sah, daß ihr Herz gebrochen war. Sie war erst nach jahrelangen Bemühungen schwanger geworden – ein weiterer Aspekt ihres Privatlebens, den die Medien in allen Einzelheiten erforscht und ausgeschlachtet hatten. Daß sie das mit solchen Mühen empfangene Kind nun verloren hatte, ließ sie zu einer wirklich tragischen Heldin werden.
    Der Präsident wirkte stoisch gefaßt, während Tränen sein hageres Gesicht benetzten und in die attraktiven Falten beiderseits der Mundwinkel liefen. Alle Berichterstatter hoben lobend hervor, wie rührend er um seine Frau besorgt war. An diesem Tag sah man David Merritt vor allem als Ehemann und Vater, der zufällig auch Präsident der Vereinigten Staaten war.

    Senator Armbruster weinte in ein weißes Taschentuch, ohne sich seiner Tränen zu schämen. Sein letzter Gruß war eine winzige Staatsflagge von Mississippi, die aus den weißen Rosen und dem Schleierkraut auf dem kleinen Sarg seines Enkels ragte.
    Wäre Barrie in der Situation der First Lady gewesen, hätte sie lieber zurückgezogen getrauert. Sie hätte die Kameras und Kommentatoren verabscheut. Obwohl Barrie wußte, daß ihre Kollegen nur ihre Arbeit getan hatten – tatsächlich war sie selbst mitten unter ihnen gewesen –, war die Beisetzung ein öffentliches
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