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Blinder Einsatz

Blinder Einsatz

Titel: Blinder Einsatz
Autoren: Florian Lafani , Gautier Renault
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das Böse fördern. Unser beider Name wird unweigerlich mit den dunklen Seiten der Geschichte verknüpft werden.
    Ich könnte nun dieses Heft schließen, es verbrennen und mit meinem Geld irgendwohin fahren, weit weg, mich ganz der Zerstreuung hingeben und alles vergessen. Mich von meinem Gewissen abwenden und meinen Geist töten, nachdem ich vom System profitiert habe. Aber diese Lösung kann nicht von Dauer sein, denn jeden Abend lege ich mich niedergeschlagen zu Bett, und wenn ich am Morgen aufwache, dann weiß ich nicht, wer ich bin. Ich bräuchte Tage, in denen es nie still wird, in denen meinem Hirn keine Sekunde bleibt, um nachzudenken. Denn dann kommt sofort all das Furchtbare an die Oberfläche und zerreißt mir das Herz.
    Je weiter ich mit meinen Aufzeichnungen fortschreite, desto deutlicher spüre ich, wie weit sich der Tod ausgebreitet hat. Gerade in den letzten Tagen hatte ich das heftige und unabweisliche Bedürfnis, meinem Leben ein Ende zu setzen. Den Schuldgefühlen, an denen ich unablässig leide, zu entfliehen. Vor allem die unerträglich langsam verrinnenden Nachtstunden mit ihren Albträumen sind eine Qual für mich.
    Ich möchte, dass diese Aufzeichnungen veröffentlicht werden. Die Welt soll erfahren, was geschehen ist. Ich will den Menschen offen ins Gesicht schauen, meine Schuld auf mich nehmen. Ich möchte mich nicht verstecken. Selbstmord wäre die äußerste Feigheit. Ich habe ein Projekt aufgezogen, das Gutes bringen sollte, aber zum Teufelswerk geraten ist. Schon allein um der Familien der Opfer willen darf ich mich nicht umbringen, denn für sie ist es wichtig, dass es einen Schuldigen gibt. Ich stelle mich der öffentlichen Meinung, ich werde meine Strafe auf mich nehmen. Wo es Sünde gibt, da gibt es auch Sühne.
    Sühne.
    Ich habe den Eindruck, als hätte ich schon zweimal Gelegenheit dazu gehabt. Ich war nicht beim Tod meiner Mutter dabei, und ich bin verantwortlich für das Unglück meiner Frau. Und dann noch für das Schlimmste: den Tod meiner Tochter.
    Die Last der Vorbestimmung, eine Familiengeschichte, die mich in die Nähe des Bösen rückt – war alles unvermeidlich, vorherbestimmt? Wenn ich die Wahrheit über meinen Vater gekannt hätte, wäre ich dann mir selbst und meinem Ehrgeiz gegenüber misstrauisch geworden? Kann ich wirklich darauf hoffen, mich zu ändern? Will ich mich überhaupt ändern?

EPILOG

    Knapp zwei Wochen nach dem Tod seiner Tochter stellte sich Alexander Bachmann der Polizei. Die Verantwortlichen von Kramer Investment waren bald verhaftet, sofern sie sich nicht in Länder abgesetzt hatten, mit denen es keine Auslieferungsabkommen gab. Der Prozess dauerte fast ein Jahr. Noah Crouch, Sander Erwin, Hugh Russell und Constance Valois sagten als Zeugen aus. Zwölftausend Familien traten als Nebenkläger auf. Viele von ihnen hatten Angehörige bei den Attentaten auf die Casinos verloren, aber es gab auch andere, die als Opfer der »Spielerdroge«, welche Kramer Investment ihnen unwissentlich versetzt hatte, einfach nur viel Geld verloren hatten. Die Glücksspielindustrie als Ganzes erlitt einen enormen Imageschaden.
    Doch bald begann sich abzuzeichnen, wie sich das Glücksspiel als globales Phänomen weiterentwickeln würde. Die Liberalisierung des Online-Glücksspiels fand endlich statt. Ein Land nach dem anderen erlaubte Online-Casinos, die nun nicht mehr gezwungen waren, von Steuerparadiesen aus zu operieren. Mit der Zeit stellte sich ein neues Gleichgewicht zwischen den Plattformen für Online-Glücksspiele und den echten Casinos ein, die zum Teil auch Zweigstellen im Internet eröffneten. Nach wie vor war das Glücksspiel eine sprudelnde Einnahmequelle für die Staaten. Weltweit richteten die Kliniken nun Abteilungen für die Behandlung der Spielsüchtigen ein. Diese neue Suchtkrankheit wurde zunehmend Gegenstand psychiatrischer Forschungen.
    Die Europäische Kommission legte die aktive Beteiligung eines ihrer Mitglieder bei der Zerschlagung des illegalen Systems von Kramer offen. Die Presse würdigte das Risiko, das Eline Haarmet damit eingegangen war. Dies hatte nicht zuletzt damit zu tun, dass sie sich in ihrer bisherigen Karriere stets eine lupenrein saubere Weste bewahrt hatte und nie auch nur in den Verdacht krummer Machenschaften geraten war. Mittlerweile galt sie als die zehntmächtigste Frau der Welt und wurde als die künftige Präsidentin der Europäischen Kommission gehandelt. Ihr guter Ruf hatte sich in dieser Affäre nur
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