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Blinder Eifer

Blinder Eifer

Titel: Blinder Eifer
Autoren: Unbekannter Autor
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kam Jury bekannt vor. Er schloß die Augen vor einem Gott, der keine Gnade kannte, und als er sie wieder öffnete, sah er den Honourable Miles Bodenheim auf sich zueilen. Sir Miles.
    »Wußte doch, daß Sie es waren!« brüllte Sir Miles. Er war das Vornehmste an Aristokratie, das Little-bourne zu bieten hatte. Er schlug Jury auf die Schulter, ergriff seine Hand, um sie kräftig zu schütteln, und erklärte: »Das entschädigt mich nun natürlich vollkommen für den vermasselten Morgen mit dieser Pennystevens.«
    Mrs. Pennystevens hätte bei den ständigen Beschwerden des Querulanten Bodenheim eigentlich längst den Geist aufgegeben haben müssen. Starben diese Leute eigentlich nie? Miles Bodenheim war ja schon weit über siebzig gewesen, als Jury ihn und Mrs. Pennystevens kennengelernt hatte - na, Gott allein wußte, wie alt er war. Vielleicht hielt sie die hartnäckige Anwesenheit von Miles, der sie mit seinem ständigen Nörgeln und Streiten ärgerte, wie durch Magnetkraft auf Erden und am Leben.
    »Zehn Jahre«, sagte Jury mehr zu sich selbst als zu Miles. Er hatte Jenny Kennington zum erstenmal vor zehn Jahren gesehen. Wie war das möglich? All die Jahre .
    »Ah ja, und wieder ein Jahrzehnt vorüber. Sie werden auch nicht jünger, Inspector, was? Ja, das seh ich doch, die verräterischen grauen Strähnen an den Schläfen.« Vor Freude, daß er jemandem eins auswischen konnte, schier außer sich, lachte er.
    Schützend legte Jury die Hand über seine Schläfe. Er war also nicht nur häßlicher als Plant, sondern auch grauer. Dabei hatte er noch nie ein graues Haar an sich entdeckt. »Aber Sie, Sie haben sich ja überhaupt nicht verändert, Sir Miles.« Diplomatisch war das nicht gemeint. Miles Bodenheim hatte nämlich vor zehn Jahren schon wie eine Mumie ausgesehen und sah auch heute noch so aus. Gespannte Haut, rosige Wangen, das graue Haar an den Schädel geklatscht und der Schnurrbart so wohlgepflegt und geölt, daß er falsch aussah.
    »Sie raten nie, wen ich gesehen habe! Genau hier, wo Sie jetzt stehen.«
    Jury verzichtete auf ein »Doch«. Er wußte es nur allzugut.
    »Ihren verrückten Freund, Plant, diesen Burschen! Genau hier hat er gestanden.« Dreimal klopfte Miles Bodenheim mit dem Spazierstock auf den Boden, als wolle er die Geisterwelt anrufen, der Melrose entsprungen war. »Habe nie verstanden, warum Sie beide so dicke miteinander waren. Ich fand ihn immer ein bißchen meschugge.«
    Ein bißchen Graf, meinst du. Ein bißchen Marquis, ein bißchen Vizegraf. Deshalb konntest du ihn nicht ausstehen. »Er ist zum Ritter geschlagen worden«, sagte Jury und starrte Miles direkt in die austernfar-benen Augen. Mal sehen, wie er auf diese weitere Ehre reagierte, die auf Melrose' goldenes Haupt gehäuft wurde.
    »Zum Ritter .«
    Warum erzählte er diese Lüge? Gut, er hätte Melrose am liebsten eine Ohrfeige verpaßt, weil er ihm Jennys Aufenthaltsort vorenthielt, aber deshalb ließ er doch noch lange nicht zu, daß der größte Schnarchsack von Littlebourne sich abfällig über ihn äußerte. »Für besondere Verdienste um Ihre Majestät in Sachen . « Moment: Wofür rannte Ihre Majestät durch die Gegend und schlug die Leute zum Ritter? Im Grunde für alles.
    Als Miles, der entschieden weniger fröhlich aussah als zuvor, versuchte, sich eine Retourkutsche für diesen (zweifellos unverdienten) Ritterschlag auszudenken, wurde Jurys Blick von jemandem angezogen, der den Dorfanger überquerte. Polly Praed kam des Wegs, wie ein Blätterhaufen in den üblichen wenig schmeichelhaften Herbstfarben Kürbisbraun, Dunkelgrün und Rostrot. Mit unbewegter Miene und festem, auf Miles Bodenheim gehefteten Blick (den sie verabscheute).
    Als sie dann sah, mit wem Sir Miles im Gespräch zusammenstand, blieb sie mitten auf der Straße wie angewurzelt stehen, riß den Mund auf, schloß ihn wieder und setzte dann ihren Weg fort.
    Jury konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, als er merkte, wie unbehaglich sie sich bei seinem Anblick fühlte. »Ich freue mich ja so, Sie zu sehen, Polly.«
    Miles Bodenheim gab zwar unmißverständliche Laute von sich, um Aufmerksamkeit zu erheischen, aber Polly nahm nicht mehr Notiz von ihm als von einem Baum. Sie sagte: »Melrose ist hier. Er hat Lady Kennington gesucht.«
    »Kennington!« brüllte Sir Miles, baß erstaunt, daß ihm etwas entgangen war.
    »Sie erinnern sich an Sie, nicht wahr?« sagte sie zu Jury. »Aber . natürlich! Er hat ja gesagt, daß Sie versucht haben, sie zu
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