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Blinder Eifer

Blinder Eifer

Titel: Blinder Eifer
Autoren: Unbekannter Autor
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daß es die Art Schnee sei, die nicht liegenbleibe. Der hafte nicht. Nein, er werde um vier, fünf Uhr geschmolzen sein, da könne sich Jury drauf verlassen. Und Mr. Ribblesby redete weiter über Schneegestöber, während Jury geduldig wartete, daß er eine Verschnaufpause einlegte, damit er seine nächste Frage stellen konnte.
    Während eines Flocke-für-Flocke-Berichts über den großen Schneesturm von 1949 unterbrach Jury ihn endlich und fragte: »Hat Lady Kennington erwähnt, wo sie hinwollte? Hat sie zufällig Stonington erwähnt?«
    Er hätte keine zwei Fragen auf einmal stellen dürfen. Mr. Ribblesby hatte schon mit einer genug Schwierigkeiten. Nun benötigte er mehrere Augenblicke, um die Antwort zu bedenken. »Nein.«
    Es war doch immer wieder so, daß einen Leute stundenlang als Geisel nahmen und mit Dingen vollquatschten, die man nicht wissen wollte. Aber wenn es um etwas ging, das man wissen wollte, schwiegen sie wie ein Grab.
    Jury vergrub sich in seinen Mantel. »So, ich muß gehen, Mr. Ribblesby.« Er warf ein paar Münzen auf den Tresen und drehte sich um.
    »Sie ist mit dem Herrn weggegangen.«
    Jury drehte sich - wirbelte! - herum. »Was?«
    »Einem Herrn, der auch hier übernachtet hat - mal sehen.« Vorsichtig zog er das Gästebuch an sich, öffnete es aber nicht. Mr. Ribblesby verbreitete lieber heiße Luft, als daß er Beweise auf den Tisch legte. »Also, das hat meine Frau gesagt, verstehn Sie. Sie war da.« Sein finsterer Blick und der skeptische Tonfall ließen die Zimmervermietung durch die Gattin höchst verdächtig erscheinen. »Sie hat ihn gesehen.« Er öffnete das Buch und fuhr mit dem Finger die Seite hinunter, blätterte um, wiederholte die Prozedur. Dann noch eine Seite. Noch eine.
    Warum er nicht bei den letzten Eintragungen begann, wußte Jury nicht. Die Anzahl Gäste, auf die ein so langsames Seitenumblättern schließen ließ, hätte man gar nicht im Bold Blue Boy unterbringen können. Jury wollte aber nicht warten, bis Ribblesby le-sen gelernt hatte. »War der Herr groß und sah aristokratisch aus? Blondes Haar, extrem grüne Augen? Ungefähr so groß wie ich?«
    Mr. Ribblesby legte die Finger auf die Lippen und schaute Jury mit konzentrierter Miene an: Größenvergleiche waren höchst fragwürdig. Und anstatt dann mit einem knappen »Ja« zu antworten, das die Angelegenheit geklärt hätte, schmückte Mr. Ribbles-by seine Beschreibung aus. »Aber >ein hübscher Herr<, hat Mrs. Ribblesby gesagt.«
    Aber. Nicht genug damit, daß er sich diesen Kommentar anhören mußte, sondern Mr. Ribblesby benutzte offenbar Jury auch noch als Maßstab in puncto Aussehen. Jury hätte ihm am liebsten eine Ohrfeige verpaßt. Recht bedacht, würde er ihn möglicherweise sowieso umbringen, wenn er nachher wiederkam. Es sei denn, er brachte Melrose Plant zuerst um. Als hätten seine Hände einen eigenen Willen, wühlten sie in seiner Manteltasche nach einer versteckten Schachtel Players. Mist. Dann begnügte er sich damit, zu fragen, ob der Bursche Plant geheißen habe und wann er angekommen sei.
    Wieder fuhr sich der Wirt mit der Hand zum Mund und trommelte mit den Fingerspitzen auf der Oberlippe herum. »Also, das müßte ... mal sehen ... vorgestern abend, würde ich mal sagen, gewesen sein. Oder ist sie da gekommen? Nein, nein, sie ist«, er zählte es an den Fingern ab, »seit mindestens vier Nächten hier. Es sind unsere einzigen Gäste.«
    Wie idyllisch. »Und heute morgen, sagen Sie, sind sie zusammen weggegangen? Meinen Sie, sie sind abgereist?«
    »O nein. Sie wollten nur eine kleine Spazierfahrt in seinem Bentley machen. Oder war es ein Rolls? Aber das spielt ja keine Rolle. Jacke wie Hose. Ich glaube, es war einer von den Silver Shadows.«
    »Ghost. Silver Ghost.« Jury lächelte (ein wenig steif) und ging durch die mit dicken Balken beschlagene Tür auf den Bürgersteig. Getreu Mr. Ribblesbys Vorhersage ließ der Schneefall nach. Jury blieb stehen und starrte ins Nichts. Warum stieg er nicht einfach ins Auto und fuhr nach Stonington? Dort mußte sie ja sein. Dort mußten die beiden sein, korrigierte er sich.
    Dann geriet ihm der Dorfanger von Littlebourne allmählich ins Blickfeld, und nach ein-, zweimal Blinzeln begriff er, daß er über den Anger auf Polly Praeds kleines weißes Cottage mit den gelben Fensterläden starrte. Melrose würde nicht nach Littlebourne fahren, ohne Polly zu besuchen. Vielleicht war er nicht in Stonington, sondern dort.
    »Inspector! Hallihallo!«
    Die Stimme
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