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Blinder Eifer

Blinder Eifer

Titel: Blinder Eifer
Autoren: Unbekannter Autor
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Polizei?«
    »Nein.« Die Lüge kam Jury ganz spontan über die Lippen. Warum wohl? »Sind Sie vom Wachpersonal?«
    Nun konnten sie einander deutlich sehen. Sie lächelten beide ein bißchen verlegen. Albern, hier herumzuhängen, wenn das Ding für Besucher geschlossen war.
    »Wissen Sie«, sagte der Mann, »sie haben gerade erst das Flatterband abgenommen. >Zutritt verbotene Die Polizei, meine ich.« Als er die Zigarette auf die Erde warf, konnte man seinen Atem sehen.
    Jury beobachtete den Funkenregen, bevor er unter dem Absatz zertreten wurde. »Ist hier was passiert?«
    »Eine Frau ist gefunden worden. Tot. Amerikanerin. Um die Wahrheit zu sagen, ich hab sie gefunden.« Er versuchte - erfolglos -, nicht so zufrieden zu klingen. »Da unten.« Er zeigte zu den steinernen Ruinen des Bischofspalastes. »Wissen Sie, ich arbeite ein paar Tage die Woche für den Trust. Und ich war hier. Als einziger. Da unten hat sie gelegen, in einem der Aborte. Hießen Latrinen. Komischer Name für ein Klo. Setzen wir uns doch ein bißchen. Da hinten ist eine Bank.«
    Sie gingen ein paar Meter und nahmen Platz. Trevor Hastings stellte sich vor, Jury auch. Nett, sich kennenzulernen.
    Und als ob er einen Pakt besiegeln wollte, fast wie in dem uralten Ritual eines heimlichen Händedrucks oder daß man sich in den Daumen stach, um Blutsbrüderschaft zu schließen, hielt Trev Jury seine Schachtel Zigaretten hin.
    Jury betrachtete die schimmernde Schachtel -Marlboro? Silk Cut? Völlig einerlei. Es hätte eine Schachtel Maisblätter sein können, und er hätte danach greifen wollen. »Ich habe aufgehört, Trevor. Trotzdem vielen Dank.«
    »Aufgehört? Brav, brav. Ich versuche es schon seit Jahren.«
    Jury lächelte. »Ich habe erst vor kurzem aufgehört, loben Sie mich nicht zu früh.«
    »Ich teile sie mir ein.« Er zündete sich eine an.
    »Wie? Alle drei Minuten eine?«
    Trev lachte und mußte husten. »Sie klingen wie meine Frau, ehrlich. Manchmal geh ich aus dem Haus, nur um in aller Ruhe eine zu qualmen, damit
    ich sie nicht die ganze Zeit rumnörgeln höre. Verheiratet?«
    »Nein.«
    Trev knurrte zustimmend. »Wie haben Sie denn aufgehört?«
    »Hm, ich habe mehr oder weniger einen Pakt mit einer Freundin geschlossen. Ich kenne ein Mädchen, das an einem Zigaretten- und Zeitschriftenstand in Heathrow jobbt.«
    Wieder knurrte Trev: »Scheißjob, wenn man aufzuhören versucht.«
    »Ja. Aber wenn Desdemona es schafft, dann muß ich es auch schaffen.«
    »Desdemona, hm? Shakespeare. Othello?«
    Jury nickte.
    »Das ham wir gesehen, ich und meine Frau. Muß zehn, zwölf Jahre her sein. In Stratford-upon-Avon.«
    Jury seufzte. Da wähnte man sich dem Ganzen glücklich entronnen, und schon holte es einen auf Umwegen wieder ein.
    »Und das haben sie gespielt. Sie haben ja das Royal Theatre dort oder so was.«
    »Das Royal Shakespeare Theatre. RSC. Royal Shakespeare Company, so heißt es.«
    »Genau. Jetzt erinnere ich mich. Mit dem König, was war das für ein Schurke, bringt seine Frau um -Desdemona, stimmt's? -, weil er glaubt, sie ist fremdgegangen. Der Blödmann glaubt dem - wie hieß er noch gleich?«
    »Jago.«
    »Genau, Jago. Ein ganz schönes Schlitzohr. Er braucht ja nur dem König mit dem Taschentuch vor dem Gesicht herumzuwedeln und ihm zu erzählen, er hätte es im Bett von, na, Sie wissen schon, gefunden, und schon ist's um Desdemona geschehen. Wenn die Jungs von der Polizei so mit Beweisen umgingen wie der Penner, wärn wir alle im Knast. Sie hatte keine Chance, Desdemona, Und alles nur wegen der Eifersucht. >Hüte dich vor dem grünäugigen Monster< oder so.« Trevor seufzte, zog an seiner Zigarette, und sie glühte rot auf. »Da sieht man's mal wieder.«
    Sie saßen im Dunkeln, zogen sich die Mantelkragen hoch, weil es so kalt war, und wünschten sich beide, es sei Sonnenaufgang oder Sonnenuntergang, jedenfalls ein Anblick, für den es sich lohnte, hier zu sitzen, vielleicht könnte die Natur ja zur Abwechslung mal Mitgefühl zeigen und sagen: Ihr Armen, ihr nehmt ja einiges auf euch, aber jetzt schaut euch das an. Blitz!
    Jury lächelte. »Da sieht's man mal wieder.«
DANKSAGUNG
    Dr. Elizabeth Martin, Pathologin am Northern Virginia Doctor's Hospital, ganz besonderen Dank für ihre wertvolle Hilfe in medizinischen Fragen.

Index

    MARTHA GRIMES
    Blinder Eifer
    Roman
    Deutsch von Sigird Ruschmeier
    GOLDMANN
    Die amerikanische Originalausgabe erschien unter dem Titel »Rainbow's End« bei Alfred A. Knopf, New York
    Der Goldmann
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