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Blendwerk - Ein Piet-Hieronymus-Roman

Titel: Blendwerk - Ein Piet-Hieronymus-Roman
Autoren: PeP eBooks
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ein Biest, dachte ich, während ich ihr zusah, wie sie die zwei mitgebrachten, fettglänzenden Brathähnchen mit einem Brotmesser zerteilte.
    »Broiler sind das einzige, was man hier essen kann«, kommentierte mein Gastgeber. »Wir essen jeden zweiten Tag Broiler.«
    Mir fiel auf, daß wir Deutsch sprachen, seit Ines eingetroffen war. Dick schien großen Wert darauf zu legen, daß Ines von uns einbezogen wurde.
    Sie kam mit den Portionen, drei halben Hähnchen und Brot auf Steinguttellern, stellte sie auf den Tisch, brachte Bier, schenkte ein, setzte sich auf Dicks Schoß und begann zu essen. Das Fett verschmierte den Lippenstift breit um ihren Mund herum. Während Dick an ihr vorbeilangte und seinem Broiler das Bein ausbrach, erzählte Ines mit vollem Mund allerlei vom Tage. Ihr Dialekt war fürchterlich. Auch Dick schien nicht alles zu verstehen. Er zwinkerte mir hinter ihrem Rücken zu, nagte das Broilerbein ab, trank abwechselnd Genever und Bier, das übrigens ausgezeichnet schmeckte. Ich vergaß allmählich den Grund meines Hierseins. Es war eine Situation, in der Angst etwas Abstraktes war und der Augenblick des Lebens die Oberhand gewonnen hatte, jedenfalls für den erstaunlich langen Moment, den ein Augenblick unter günstigen Umständen zu dauern vermag.
    »Es gibt bald die Csárdásfürstin«, sagte Ines. »Mein Lieblingsstück. Kaufst du mir eine Karte?« Dick tätschelte unbeholfen ihre Brust. »Ich möchte Weihnachten in die Csárdásfürstin. Wenn du nicht mitwillst, geh ich allein.« Sie leckte sich die fettglänzenden Finger und rutschte von Dicks Schoß herunter, ging in die Küche, wusch sich die Hände und trällerte dazu ein Lied, das ich sehr gut kannte. »Machen wir’s den Schwalben nach, bau’n wir uns ein Nest.« Meine Mutter hatte es mir oft vorgesungen, als ich klein war und Einschlafschwierigkeiten hatte. »Ich bin müde«, sagte Ines. »Ich geh schon ins Bett. Wenn du wieder so betrunken bist wie gestern, kannst du bei deinem Freund schlafen.« Sie kam noch einmal herein und knickste uns zu. Dann verschwand sie im Schlafzimmer.
    »Ist sie nicht eine Süße?« sagte Dick mit schwerer Zunge. »Verstehst du jetzt, warum ich nicht einfach abhauen kann?« Er stand auf, legte Holz nach und öffnete die Luftklappe. Der schwarze Kanonenofen begann zu fauchen.
    »Was macht dir eigentlich solche Angst?« fragte ich unvermittelt. Dicks Gesicht nahm ruckhaft einen vollkommen anderen Ausdruck an. Es war, als ob einem Daumenkino ein paar Seiten fehlten. Die Grimasse trunkener Lebenslust verwandelte sich übergangslos in die schlaffe Mimik hoffnungslosen Elends.
    »Mußt du ausgerechnet jetzt damit anfangen! Du hättest wenigstens heute abend die Klappe halten können.« Er sah mich mit einer unangenehmen Feindseligkeit an.
    Ich stellte mich unwillkürlich auf seinen Schuljungenton ein. »Komm, Dick, spuck’s aus. Du hast doch vor etwas fürchterliche Angst. Sonst hättest du mich nicht hergeholt.«
    »Ich und Angst?« Er begann röhrend zu lachen, wippte den Stuhl zurück, ließ sich wieder nach vorne fallen und schlug krachend die Faust auf den Sofatisch. Unsere frisch gefüllten Gläser fielen um, der Duft von Oude Genever verbreitete sich im Zimmer und ließ die Trunkenheit in mir und Dick auf und ab schwanken wie Flüssigkeit in kommunizierenden Gefäßen, die jemand bewegt. Immer wieder hieb Dick auf den Tisch, als wollte er die Platte durchschlagen. Die Haut an seinen Knöcheln platzte auf, rote Flecken breiteten sich in der Schnapslache aus. »Wenn du es genau wissen willst, es ist der Deutschling.«
    »Der wer?«
    Ines erschien in der Tür in einem durchsichtigen Negligé. Sie wirkte wie aus dem Playboy ausgeschnitten. »Was macht ihr für einen Krach?« sagte sie. »Könnt ihr euch in Anwesenheit einer Dame nicht besser benehmen?«
    Sie kam an den Tisch, tauchte den Finger in die Geneverpfütze, leckte daran, schüttelte sich. Dann sah sie Dicks blutende Faust.
    »Du verrückter Kerl!« rief sie. Sie ging hinaus und kam mit einem Lappen zurück, wischte Dicks Handrücken ab, den er ihr brav hinhielt. »Komm jetzt ins Bett, du Nasenbär. Und laß dir die Tatze verbinden.« Ines war von überschäumender Mütterlichkeit. Sie drückte seinen Kopf gegen ihre Brüste. »Ist er nicht fürchterlich? Dieser Grobian?« Es waren die ersten Worte, die sie an mich richtete.
    »Sie steckt mit dem Deutschling unter einer Decke«, sagte Dick. »Aber gleich auch mit mir.« Er packte sie um die Taille, hob
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