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Blaues Gift - Almstädt, E: Blaues Gift

Titel: Blaues Gift - Almstädt, E: Blaues Gift
Autoren: Eva Almstädt , luebbe digital
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Korittki. Pia war auf Marlenes ausdrücklichen Wunsch hin anwesend, auch wenn diese ihr bisher kein einziges Mal ins Gesicht gesehen hatte.
    Auf dem Tisch standen eine frisch gefüllte Thermoskanne mit Kaffee und eine geöffnete Packung staubiger Bürokekse. Die Atmosphäre war angespannt. Gablers Angewohnheit, mit seinem Kugelschreiber zu klickern, machte Marlene offensichtlich nervös. Hilfe suchend blickte sie zu ihrer Anwältin, die aufmunternd die Augenbrauen hochzog und Marlene zum Fortfahren animierte.
    »Meine Eltern waren von Anfang an dagegen, dass ich so oft mit Doro zusammen war, aber gerade das hat wohl die Freundschaft für mich so interessant gemacht. Doro ist zwei Jahre älter als ich und war damals schon sehr selbstständig. Ihre Mutter war nie da, und so durfte sie quasi alles und hatte alle Zeit der Welt, während ich bei meinen Eltern über jede Kleinigkeit Rechenschaft ablegen musste.
    Doro war es auch, die die Lichtung im Wald entdeckt hat. Das Baumhaus gab es auch schon, wir haben es nur noch etwas ausgebaut. Dorothea schlug vor, dass es unser Geheimversteck werden sollte. Wir haben alles Mögliche dorthin geschleppt, Decken, Kissen und Vorräte. Eine Zeit lang hielten wir uns jede freie Minute, die wir hatten, dort auf. Meine Eltern wussten nicht einmal von der Existenz dieses Ortes, bis ...«
    »Frau Liebig, erzählen Sie uns bitte der Reihe nach, was an dem Tag geschah, als Dorothea überfallen wurde.«
    »Überfallen? Sie wurde brutal vergewaltigt«, berichtigte Marlene Kriminalrat Gabler in bitterem Tonfall. Sie warf ihrer Anwältin einen vielsagenden Blick zu und fuhr mit leicht zittriger Stimme fort: »Ich hatte an dem Nachmittag eigentlich Klavierunterricht, aber meine Mutter war nicht da, und ich hatte überhaupt keine Lust. Ich bin stattdessen nach den Hausaufgaben in den Wald gegangen, zu unserer Lichtung.
    Dorothea und ich mussten uns nicht groß verabreden, ich wusste, dass sie fast jeden Nachmittag dort war. Ich wollte sie überraschen. Doro dachte ja, ich hätte noch Klavierunterricht und würde später kommen. Ich bin nach oben in unser Baumhaus gegangen und habe irgendetwas dort vorbereitet und auf sie gewartet.
    Irgendwann hörte ich Schritte und habe vorsichtig hinunter gesehen. Dorothea sollte ja nicht gleich wissen, dass ich da bin. Sie kam den schmalen Trampelpfad herunter, und ich sah, dass sie nicht allein war.
    Ein Mann ging hinter ihr und hielt sie fest. Er war ganz in Schwarz gekleidet und trug eine schwarze Sturmhaube über dem Gesicht. Im ersten Moment war ich mehr verwundert als erschrocken, ich begriff gar nicht, was da vor sich ging ...
    Der Mann kam mit ihr auf die Lichtung, fast direkt unter das Baumhaus und stieß Dorothea zu Boden. Er sagte kein Wort. Da erst begriff ich, dass es ernst war. Dass etwas Schreckliches vor sich ging. Ich war vor Angst und Entsetzen wie gelähmt. Man sagt das immer so, aber ich konnte mich wirklich nicht rühren. Dorothea lag jetzt am Boden, und ich sah, dass er sie ins Gesicht geschlagen hatte. Sie hatte einen roten Fleck auf der Wange, und ihr Auge war geschwollen. Ich sah die Panik in ihrem Gesicht. Ich ... ich ...«
    Marlenes Kopf sackte nach vorn, und die langen braunen Haare fielen ihr vor das Gesicht. Sie strich sie zurück und verschränkte anschließend die Arme vor ihrer Brust.
    »Lassen Sie sich Zeit, Frau Liebig. Möchten Sie eine Pause machen?«
    »Ich möchte es hinter mich bringen. Vergessen. Das ist alles so lange her. Irgendwann muss doch mal Schluss damit sein?«
    »Für Frau Bauer ist es nicht abgeschlossen. Vielleicht hilft es Ihnen beiden, wenn das Verbrechen nun endlich aufgeklärt wird«, meinte der Staatsanwalt beschwichtigend.
    »Psychogelaber«, sagte Marlene verächtlich. Sie trank einen Schluck Kaffee und richtete sich auf ihrem Stuhl auf.
    »Der Mann hat Dorothea vergewaltigt. Ich saß in der hintersten Ecke des Baumhauses und habe mir die Augen und Ohren zugehalten. Ach ja, und ich habe mich keinen Millimeter von der Stelle gerührt, damit er mich nicht bemerkt. So war es. Ich habe mich nicht gerührt und nichts getan, um meiner Freundin zu helfen. Wenn ich die Leiter hinuntergestiegen wäre, um Dorothea zu helfen oder Hilfe zu holen, dann hätte er mich auch erwischt. Das dachte ich damals zumindest. Ich war zehn Jahre alt.«
    »Sie haben also nichts weiter gesehen oder bemerkt?«
    In Broders Stimme schwang Ungläubigkeit mit.
    »Da waren Spalten zwischen den Brettern. Es war ganz grob
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