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Blaubeertage (German Edition)

Blaubeertage (German Edition)

Titel: Blaubeertage (German Edition)
Autoren: Kasie West
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Funkstille aufzuarbeiten?«, fragt er und schaut auf seine Uhr. »Haben die letzten zehn Minuten gereicht?«
    Ich lächele. »Meine Mom schläft – da sind bestimmt ein paar mehr Minuten nötig.«
    Er atmet zischend durch die Zähne ein. »Vivian ist zwar verdammt gut darin, Selbstgespräche zu führen.« Er dreht sich zu mir. »Aber wahrscheinlich brauchen sie noch ein bisschen Zeit. Hast du schon etwas gegessen?«
    »Möchtest du nicht zu ihr? Du hast sie siebzehn Jahre lang nicht gesehen.«
    »Ich habe auch dich siebzehn Jahre lang nicht gesehen.«
    Meine Augen fangen an zu brennen und mein Großvater verschwimmt vor mir, aber mir gelingt es, die Tränen wegzublinzeln.
    »Ich hab da wohl einiges aufzuholen, oder? Werden zehn Minuten reichen?«
    »Ich hatte an fünf gedacht, aber mal sehen, wie du dich machst.«
    Er lächelt. »Na, du bist eindeutig meine Enkeltochter.«

39.
    D en restlichen Tag verbringt meine Mom im Wechselbad der Gefühle – vom puren Glück zur tränenreichen Wut, dann wieder zurück zum Glück. Dieses Auf und Ab gefällt dem Arzt ganz und gar nicht. Am Nachmittag wirft er uns alle raus, obwohl er mir versprochen hatte, dass ich die Nacht bei ihr verbringen dürfte. Meine Mom widerspricht allerdings nicht und mir wird klar, dass sie wahrscheinlich Ruhe braucht.
    »Das ist ja gut gelaufen«, sagt Sean im Flur.
    Vivian wirft ihm einen Blick zu. »Caymen, wir leben mehrere Stunden von hier entfernt. Meinst du, wir könnten bei euch wohnen, solange sich deine Mom erholt?«
    »Wir können uns auch ein Hotelzimmer nehmen, wenn das zu viele Umstände macht«, fügt Sean schnell hinzu.
    »Unsere Wohnung ist winzig. Ich weiß nicht, ob das bequem für euch ist. Bestimmt seid ihr viel mehr Platz gewohnt.«
    Sean ringt die Hände. »Sie denkt, wir sind verwöhnt, Viv. Das können wir nicht auf uns sitzen lassen.«
    »Stopp«, sagt Vivian. »Uns ist beides recht, Schätzchen. Was wäre dir denn lieber?«
    Mir wäre es lieber, wenn sie in ein Hotel gingen, aber das würde unhöflich klingen. Vielleicht tut mir ja ein bisschen Gesellschaft auch gut? »Ihr könnt bei uns wohnen, kein Problem.«
    Als wir in Richtung Parkplatz gehen, räuspert sich Sean. »Hm, Xander Spence also? Für meinen Geschmack ist er ja ein bisschen zu gut aussehend, aber immerhin aus gutem Stall.«
    »Gott sei Dank fragt niemand nach deinem Geschmack«, mischt sich Vivian ein. »Er scheint ein wirklich netter Junge zu sein.«
    »Wir sind nicht zusammen.«
    »Oh. Wir dachten bloß, wegen gestern Abend …«
    »Es ist etwas passiert, aber es ist okay.« So ist das also, wenn man Großeltern hat? Noch mehr Leute, die einem Ratschläge in Sachen Beziehungen geben?
    Vivian legt einen Arm um mich. »Ich wollte es ja nicht laut sagen, aber für meinen Geschmack ist er auch ein bisschen zu gut aussehend, Schätzchen.«
    Mein automatischer Xander-um-jeden-Preis-verteidigen-Reflex schaltet sich ein und ich höre mich sagen: »Wenn man ihn erst einmal näher kennt …« Ich unterbreche mich. Ich brauche Xander nicht mehr zu verteidigen.
    Vivian drückt meine Schulter. »Es ist ganz schön viel passiert in den letzten vierundzwanzig Stunden, hm?«
    »Ja.«
    Ich kann ihnen sofort ansehen, dass sie die Wohnung klein finden. Besonders, als Sean die Tür zur Garderobe im Flur aufzieht und sie mit einem Ruck wieder schließt, weil er gedacht hatte, dass sie in einen weiteren Teil der Wohnung führt.
    »Für uns ist das mehr als genug und ihr wisst ja, dass wir unten noch den Laden haben. Wenn’s uns hier oben also zu eng wird, haben wir noch jede Menge Platz.«
    Ich kenne sie nicht, aber es scheint, als hätte Vivian Schuldgefühle, dass wir so leben. Aber was ich gesagt habe, meine ich auch: Sicher, unsere Wohnung ist klein, ganz besonders, wenn man es mit dem vergleicht, was andere haben, aber als Kind habe ich mich nie benachteiligt gefühlt. Ich war immer glücklich. Anscheinend habe ich erst in letzter Zeit angefangen zu bemerken, was ich nicht habe.
    Vivian besteht darauf, einkaufen zu gehen, und kommt mit mehr Lebensmitteln nach Hause, als wir in einem ganzen Monat essen können. Sie versucht, alles so gut wie möglich zu verstauen. Dann beginnt die gefürchtete Fragerei.
    »Also, du gehst in die Zwölfte, richtig?«
    Ich nicke.
    »Und was willst du nächstes Jahr studieren?«, fragt Sean ganz unschuldig, während er das Etikett einer Dose Mais studiert, die Vivian gekauft hat. Es ist ziemlich offensichtlich, dass er meinem Blick ausweicht,
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