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Blaubeeren und Vanilleeis

Blaubeeren und Vanilleeis

Titel: Blaubeeren und Vanilleeis
Autoren: Gudrun Helgadottir
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Schaukel oder in der Höhle – Langeweile hatte bestimmt niemand.
    Vildis suchte ihre Oma und fand sie schließlich in der Küche über den Töpfen.
    »Wann geben wir Mama das Geschenk?«, fragte sie.
    Oma lächelte. »Das machen wir, wenn eure Mama die Gäste begrüßt hat«, sagte sie.
    Vildis konnte es kaum erwarten. Tumi, Oma und sie hatten nämlich stundenlang im Haus der Großeltern zusammengesessen und alle Familienfotos, die Oma hatte, in ein wunderschönes Album geklebt – zusammen mit den Bildern aus Mamas Kiste. Mama hatte nie die Zeit gefunden, etwas mit ihren Fotos zu machen, und so hatte Oma auch diese Bilder noch in die richtige Reihenfolge gebracht, angefangen bei Tumis Geburt und der Hochzeit von Mama und Papa. Jetzt lag ein Päckchen mit drei kompletten Alben bereit! Es gab sogar ein Foto von Tumis schielendem Teddy.

    Dann läutete Opa eine Glocke. Alle versammelten sich vor der Veranda, Mama hieß die Gäste willkommen und sagte, dass das Essen hoffentlich gut sei und sie alle zusammen einen schönen Abend auf dem Wallhof verbringen würden. Dann bat sie zwei Freunde aus dem Naturverein, die Töpfe auf die Veranda zu tragen, und ernannte Opa zum Festleiter.
    Opa war in bester Laune. Er schlug vor, gemeinsam vor dem Essen
Wie schön, dass wir beisammen sind
zu singen, und genau in dem Moment, als das Lied zu Ende war, kamen neue Gäste.
    Ein alter Mann erschien, und mit ihm eine alte Frau in einem goldenen Kleid und mit roten Haaren. Der Mann lief schnurstracks auf die grüne Kasse zu und ließ etwas hineinfallen. Dann begrüßten sie die Gäste auf der Veranda, besonders herzlich Oma und Opa. Offensichtlich kannte der Mann jedoch nicht nur Oma und Opa recht gut, sondern auch die meisten anderen Gäste. Auch Mama schien ihn zu kennen, aber sie machte ein ziemlich komisches Gesicht. Nett war sie trotzdem zu ihm.
    Vildis beobachtete völlig verdattert, dass der fremde Mann sogar Tumi wie einen alten Freund begrüßte.
    »Aus dir wird noch mal ein richtiger Kerl«, sagte er und tätschelte Tumi den Kopf. Auch Mama sah verwundert zu und verstand die Welt nicht mehr. Aber dann eröffnete sie einfach mit einer auffordernden Geste das Büfett.
    »Wie schön, den Filialleiter hier zu haben«, sagte Opa zufrieden. »Das ist Gudbrandur, der jahrzehntelang unser Geld gehütet hat – mit ganz gutem Erfolg, wie man hier in der Gegend sehen kann.«
    »Na ja, kommt drauf an«, sagte einer der Gäste, und alle lachten.
    Dieser alte Mann war also der Filialleiter?! Ungläubig blickte sich Vildis um und entdeckte Tumi leichenblass hinter einem Stuhl auf der Veranda.
    »Das ist ja wohl das Mindeste, den wenigen Menschen, die hier in der Gegend ein Geschäft haben, ein wenig Respekt zu zollen«, sagte der Filialleiter gerade. »Sie ist eine richtige Powerfrau, unsere Solveig. Nett von ihr, mich einzuladen.«
    Die Powerfrau versuchte ein Lächeln, doch es sah eher verlegen aus, überhaupt nicht nach Mama.
    Vildis zog Tumi ins Wohnzimmer.
    »Bist du nicht ganz dicht? Diesen uralten Kerl soll Mama heiraten? Der noch dazu eine Frau hat. Bist du …«
    Tumi fiel ihr ins Wort. »Vildis, warte mal, das ist doch der Falsche! Ich schwör’s. Der Richtige ist viel jünger und heißt Hermann. Aber dieser Mann da arbeitet eben auch in der Bank.«
    »Das heißt, dein Hermann wollte also nicht kommen«, sagte Vildis. »Er hat einfach den da gebeten, an seiner Stelle zu gehen.«
    Tumi war am Boden zerstört. »Das traue ich ihm nicht zu«, sagte er.
    Nun hatte Vildis beinahe Mitleid mit ihrem Bruder. »Ach, komm schon«, sagte sie. »Vergiss die Sache mit Hermann. Wir geben Mama jetzt ihr Geschenk.«
    Tatsächlich klatschte Opa gerade in die Hände und verkündete, dass Lolla nun das einzige Geschenk überreicht bekäme, das nicht in die grüne Kasse passe. Alle warteten gespannt. Vildis nahm Vala auf den Arm, während Tumi Mama das Geschenk überreichte. Er hatte einstudiert, ihr etwas Nettes zu sagen, etwas wie:
Du bist die beste Mama der Welt
oder so, aber jetzt fiel ihm nichts ein. Rein gar nichts. Er gab ihr einfach nur das Päckchen.
    »Das ist von uns allen aus der Bank … nee, ich meine, von uns allen … also, hier zu Hause«, stammelte er. »Das haben wir selbst gemacht. Oma hat uns geholfen. Amen.«
    »Danke, mein Liebling«, sagte Mama und drückte ihn an sich. Dann packte sie das Geschenk aus und starrte ganz gerührt auf das Album. Unter allgemeinem Applaus umarmte Mama die Kinder und küsste sie immer
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