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Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition)

Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition)

Titel: Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition)
Autoren: Vea Kaiser
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aufbesserte, bevor der gläubige Mittelfeldspieler kurz vor dem Abpfiff den 4   :   29-Endstand fixierte. Der Einzige, der an diesem Tag etwas traurig vom Feld ging, war St.   Paulis rechter Verteidiger, da er nun nicht mit Peppi Leiberl tauschen konnte und nie erfahren würde, welches Haargel er verwendete. Ansonsten waren alle gut drauf – denn der Wirt hatte angekündigt, für jedes Tor der Petrianer 100   Liter Freibier auf der anschließenden Party auszuschenken, und 400   Liter bedeuteten eine großartige After-Show-Party. Johannes schüttelte auf der VIP – Tribüne Hände, ließ sich von allen Gemeinderäten umarmen und konnte nicht mehr aufhören zu grinsen. Am Horizont senkte sich währenddessen die Sonne und färbte den Himmel über den umliegenden Bergkämmen in orangefarbenen Tönen, die das ganze Dorf zum Strahlen brachten.
    Über dem Dorfplatz, der zum Freiluftfestgelände umgebaut worden war, hing der wärmend fette Duft von gegrillten Hühnerhälften, und aus den Äpfeln in den Mündern der Spanferkel tropfte der Saft auf den Rost. Nachdem die Spieler etliche Autogramme gegeben hatten und der Trainer des FC St.   Pauli auf die Frage nach den vier Gegentoren geantwortet hatte: Da müssen wir eine Video-Analyse machen , war der Spielerbus von den Klängen der Blasmusik begleitet Richtung Tal gefahren, um die Spieler mit dem letzten Flugzeug des Tages wieder zurück in die flachen Gefilde des Nordens zu bringen.
    Johannes stand mit einem Bier in der Hand etwas abseits und klappte das Telefon zu. Er hatte ein paarmal versucht, Peppi zu erreichen, doch außer Peppis Mailboxansage, die aus BAHÖÖÖÖÖÖL! HIER PEPPI bestand, hatte er nichts erfahren. Nun wurde es im Hintergrund zu laut, um das Freizeichen zu hören, also begab sich Johannes zurück auf das Festgelände, wo der Trommler der Blasmusik wirbelnd das Unterhaltungsprogramm eröffnete. Johannes war während der Vorbereitungen dagegen gewesen, nach Ende des Spiels und vor der Eröffnung der neuen Wirtshausdisco ein Unterhaltungsprogramm anzubieten, aber die Dorfbewohner hatten ihn überredet – es gab immerhin viele Vereine, die etwas aufzuführen hatten, und Johannes hatte zugestimmt in der Ahnung, dass die St.   Petrianer es reizvoll fanden, zur Abwechslung Publikum zu haben, mit dem man nicht verwandt war. Er hatte sich jedoch strikt aus der Organisation rausgehalten, und so war er selbst gespannt, was kam, und dann doch überrascht, als die Blasmusik zu spielen begann und ein ihm unbekannter Moderator auf die Bühne lief, sich das Mikrofon schnappte und zu singen begann.
    Johannes traute seinen Augen nicht, vor der Bühne sprangen einige der älteren Frauen auf und ab wie Teenager vor einem Popstar, und als der Refrain gesungen wurde, sangen plötzlich alle St.   Petrianer mit, und auch einige angereiste Zuschauer schienen dieses seltsame Lied zu kennen. Als wilder Jubel ausbrach, hörte er eine Frau, die neben ihm stand, ihrem Mann zuflüstern:
    »Sag mal, ist das nicht der Andy Borg?«
    »Also das Dorf muss wahnsinnig viel Kohle haben, wenn die sich einen echten Fernsehmoderator leisten können.«
    Johannes dachte nach, wie hoch das Budget der Arbeitsgruppe Unterhaltungsprogramm war, und veranschlagte, dass, wenn dies tatsächlich genannter Fernsehmoderator war, er für sehr wenig Geld zu haben war. Johannes beobachtete ihn: ein kleiner Mann mit auftoupiertem, schlecht gefärbtem Haar und Dauerlächeln. Er hüpfte grinsend über die Bühne, sang mit aufgerissenen Augen, als schwebte er in vollkommener Ekstase, schien sich in kompletter Verzückung zu befinden, und Johannes befürchtete, die St.   Petrianer hätten ihn gekidnappt und die Mütterrunde hätte ihn mit diversen Zaubermitteln gefügig gemacht. Johannes blieb die Luft weg.
    »Was hab ich nur angerichtet!«, sagte er drei Mal vor sich hin, aber niemand hörte ihn, denn das Publikum klatschte hellauf begeistert. Wieso, war ihm nicht klar. Die Frage, Was hab ich nur angerichtet?, stellte sich Johannes an diesem Abend noch gefühlte weitere dreihundertfünfzig Mal: Als Robert Rossbrand in einem mit Enzian verzierten Kilt sein Comedy-Programm abzog, als der Pfarrer mit der gut erholten Grete Hand in Hand das Fest besuchte – sein Hörgerät hatte er allerdings ausgeschaltet –, als die Gemeindesekretärin mit der Dorfärztin schmuste, als die Feuerwehrmänner den Wet-Underwear-Contest eröffneten, als ihm die Kaffeehausbesitzerin Moni mit den Worten:
    »Warum
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