Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
BLACKOUT - Morgen ist es zu spät - Elsberg, M: BLACKOUT - Morgen ist es zu spät

BLACKOUT - Morgen ist es zu spät - Elsberg, M: BLACKOUT - Morgen ist es zu spät

Titel: BLACKOUT - Morgen ist es zu spät - Elsberg, M: BLACKOUT - Morgen ist es zu spät
Autoren: Marc Elsberg
Vom Netzwerk:
»Vielleicht mit dem Unterschied, dass es nicht ein, sondern mehrere Herzen gibt. Das sind die Kraftwerke. Von den Kraftwerken wird der Strom im ganzen Land verteilt, wie das Blut im Körper. Dabei gibt es verschiedene Leitungen, so wie es verschiedene Blutgefäße gibt. Hochspannungsleitungen sind vergleichbar mit den Hauptschlagadern, in denen große Mengen über weite Strecken transportiert werden können, dann gibt es Leitungen mit mittlerer Spannung, welche die Energie weitertransportieren, bis die regionalen Netze sie an die einzelnen Endabnehmer verteilen, wie die Kapillaren das Blut in jede Zelle bringen.«
    Routiniert tappte er sich dabei zur Untermalung seiner Erklärungen an unterschiedliche Stellen seines Körpers. Er hielt diesen Vortrag nicht zum ersten Mal, und Michelsen musste neidlos anerkennen, dass er eine anschauliche Analogie benutzte.
    Michelsen war keine Technikerin, aber als sie ihre Stelle vor drei Jahren antrat, hatte sie sich, wie es ihre Art war, intensiv mit den Materien des Ressorts vertraut gemacht, darunter das Thema kritische Infrastruktur.
    »Entscheidend dabei sind zwei Aspekte. Erstens: Um das Netz stabil zu halten, muss darin eine konstante Frequenz herrschen. Vergleichen wir das mit dem Blutdruck beim Menschen. Wenn der zu hoch oder zu niedrig wird, kippt unsereins um. Das ist leider mit dem Stromnetz passiert. Und zweitens: Strom kann man kaum speichern. Deshalb muss er beständig fließen, wie Blut. Das heißt, er muss dann erzeugt werden, wenn er verbraucht wird. Das sind über den Tag verteilt sehr unterschiedliche Mengen. So wie das Herz schneller schlagen muss, wenn ein Mensch plötzlich lossprintet, so müssen Kraftwerke zu Spitzenlastzeiten mehr Energie liefern. Oder es müssen zusätzliche Kraftwerke eingeschaltet werden. So weit verständlich?«
    Er blickte in die Runde, erntete mehrfaches Nicken, nur der Innenminister runzelte die Stirn.
    »Aber wie kann das in ganz Europa geschehen? Ich dachte, das deutsche Stromnetz ist sicher?«
    »Ist es im Wesentlichen auch«, antwortete der Verbandsvertreter, wie Michelsen ihn insgeheim nannte. »Das zeigt sich schon daran, dass Deutschland als eines der letzten Länder die Versorgung verlor und als eines der ersten einzelnen Gebiete gerade wieder hochfährt. Aber das deutsche Netz ist keine Insel in Europa.«
    Er tippte ein paar Tasten eines Computers, und auf der großen Projektionswand erschien eine Europakarte, die von einem dichten Netz verschieden gefärbter Linien überzogen wurde.
    »Das hier ist eine Übersichtskarte der Stromnetze in Europa. Wie man unschwer erkennen kann, sind sie eng miteinander verbunden.«
    »Es gibt also eigentlich kein deutsches Netz mehr«, konnte sich Michelsen den Einwand nicht verkneifen.
    »Das würde ich so nicht sagen …«
    Sie registrierte den unfreundlichen Blick des Staatssekretärs, ließ sich davon jedoch nicht beirren. »Wie würden Sie es dann nennen, wenn eines der größten Übertragungsnetze mittlerweile einem niederländischen Unternehmen gehört?«
    »Ich darf an dieser Stelle darauf hinweisen, dass Deutschland bei den EU -Verhandlungen über die Entflechtung von Erzeugern und Überträgern bis zum Schluss gegen eine vollständige Trennung war und gemeinsam mit anderen Staaten Alternativen erreicht hat«, bemerkte Bädersdorf. »Wir haben immer angeführt, dass diese Struktur des europäischen Strommarkts das Management in Krisensituationen nicht gerade vereinfacht.«
    Womit er leider recht hat, dachte Michelsen und ließ ihn erst einmal fortfahren.
    Das Bild an der Wand wechselte zu einer blauen Grafik, auf der ein Netz von Linien Symbole von Kraftwerken, Umspannwerken, Fabriken und Wohnhäusern verband.
    »Früher gab es nationale Energieversorger, die den Strom sowohl erzeugten als auch verteilten. Das Management der Gesamtversorgung lag in einer Hand. Durch die Liberalisierung des Strommarkts hat sich diese Struktur aber grundlegend verändert. Heute gibt es einerseits Stromerzeuger.«
    Das Kraftwerk in der Grafik wechselte seine Farbe von Blau zu Rot.
    »Andererseits gibt es Netzbetreiber.«
    Die Verbindungslinien der Grafik färbten sich grün.
    »Sozusagen dazwischengeschaltet sind nun außerdem« – in dem Netzwerk erschien ein weiteres Gebäudesymbol mit einem Eurozeichen – »Strombörsen. Dort handeln Stromerzeuger und Stromhändler die Preise aus. Die Stromversorgung besteht heute also aus vielen verschiedenen Akteuren, die sich in einem Fall wie dem vorliegenden
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher