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Black Monday

Black Monday

Titel: Black Monday
Autoren: R. Scott Reiss
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Ohren und müssen wieder einmal zähneknirschend zusehen, wie jemand, den die CIA liebend gern festnehmen würde, von Al-Dschasira-Leuten interviewt wird.
    Fauzan schürt die gespannte Aufmerksamkeit, beschreibt anschaulich, wie die Sonne vom Himmel brennt und die Luft angenehm kühler wird, während er immer höher ins Kakar-Gebirge hinaufsteigt. Wie er sich in Begleitung einer Guerilla-Eskorte unter einem grandiosen Sternenhimmel schlafen legt und Zeuge eines Meteorregens unter dem weißen aufgehenden Mond wird.
    Auf dem Monitor erscheinen Bilder von dem Journalisten, der soeben auf seinem mühsamen Marsch die Schneegrenze erreicht. Die Männer überqueren einen Bergrücken und beginnen mit dem Abstieg in ein schroffes braunes Felsental.
    »Von hier aus habe ich zum ersten Mal die Höhlen gesehen«, sagt Fauzan.
    Wir benutzen uns alle gegenseitig. Die CIA benutzt mich. Ich benutze die Anrufer. Die Terroristen benutzen die Medien. Und die Medien benutzen die Nachrichten, denkt Hassan, während der Imam ins Bild humpelt, ein kleiner, verkrüppelter alter Mann, der sich auf eine hölzerne Krücke stützt, während sein nutzloser linker Fuß ein Stückchen über dem Boden baumelt.
    »Imam Suleiman hat sich nie weiter als fünfzehn Kilometer von dem Dorf entfernt, in dem er geboren wurde. Seit seinem sechsten Lebensjahr ist er schwerbehindert«, klärt Fauzan die Zuschauer auf.
    Auf zehn Bildschirmen im Kontrollraum sieht man einen Kreis düster dreinblickender Männer mit weiten Hosen und Gewändern im Schneidersitz auf dem Boden einer Höhle sitzen. Durch eine natürliche Öffnung im Dach der Höhle fällt ein Sonnenstrahl, in dem Staubpartikel tanzen. Hassan, der während seiner aktiven Reporterzeit selbst aus Pakistan berichtet hat, kann sich gut die Geruchsmischung aus dem Schweiß ungewaschener Männer, süßem Tee, gewürztem Lammfleisch, Holzkohle und geölten Waffen vorstellen.
    »Die hellseherischen Fähigkeiten von Imam Suleiman haben sich immer mehr herumgesprochen, und mittlerweile kommen viele Menschen in dieses Tal«, sagt Fauzan.
    Die Kamera zeigt das zerfurchte Gesicht und das milchigweiße linke Auge des alten Mannes. Alle Mitarbeiter Hassans waren völlig fasziniert, als sie die Aufzeichnung zum ersten Mal sahen.
    Zu Beginn des Interviews erwähnt Fauzan die öffentliche Ankündigung des Imam vom vergangenen Monat, als er einem Mann namens Abu Gabra weit unten im Süden des Landes vorhersagte, dass ihn mit Falkenfedern geschmückte Männer angreifen würden. Fauzan fragt Suleiman, ob er wisse, dass »Abu Gabra« in Wirklichkeit der Name eines sudanesischen Ölfelds sei. Und dass die französischen Fallschirmjäger, die dort eine Woche nach der Ankündigung abgesprungen seien, um Geiseln zu retten, auf den Ärmeln ihrer Uniform Falkenabzeichen getragen hätten.
    »Ich gebe nur die Worte wieder, die mir Allah in den Mund legt«, antwortet Suleiman mit einer eigentümlich hohen, fast kindlichen Stimme.
    Fauzan fragt, ob die Eingebungen des Imam nicht in Wirklichkeit auf Informationen von Extremisten und Terroristen beruhen.
    »Wenn dem so wäre, mein Sohn, wenn unsere Kämpfer gewusst hätten, was in Abu Gabra geplant war, wären sie dann nicht darauf vorbereitet gewesen, die französischen Soldaten bei ihrem Eintreffen zurückzuschlagen?«
    Mit wachsender Beunruhigung überprüft Hassan die ausländischen Sender auf Meldungen über terroristische Anschläge während der Ausstrahlung von Faces and Places. In der Welt der Fernsehnachrichten wirkt jedoch alles normal, was auch immer normal bedeuten mag. Im französischen Fernsehen wird über den Stapellauf eines atomar betriebenen U-Boots berichtet. Das deutsche Fernsehen zeigt Bilder eines Großbrands in Berlin. Im Hafen von Tokio sind zwei Schiffe kollidiert. Eine Katastrophe löst die andere ab, so unwirklich wie in einem Hollywoodfilm.
    Doch Imam Suleimans Botschaft fesselt selbst den abgestumpften Hassan. In dem Wissen um den weiteren Verlauf der Aufzeichnung beschleicht den abgebrühten Journalisten eine archaische Angst.
    Seine Vorhersage ist absurd, denkt Hassan. Er bedient sich einfach nur einer sehr blumigen Sprache. Was er sagt, kann unmöglich eintreten.
    »Ich habe erfahren, dass Sie erneut etwas ankündigen wollen«, kommt der junge, gut aussehende Reporter Fauzan zur Sache.
    Die Kamera scheint lange das Gesicht des alten Mannes anzusehen. Das milchigtrübe Auge. Die zerfurchten Wangen. Die Narbe auf der Stirn, angeblich von einem
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