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Black Dales

Black Dales

Titel: Black Dales
Autoren: Christina Irmisch
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direkt bei der Statue.“
    Sie tranken noch einen Espresso, bevor sie sich aufmachten.
    „Ich bin gespannt auf die Begegnung mit ihr.“
    Während er die Tasse anhob, warf er noch einen flüchtigen Blick auf seine Uhr. Es war 14:47 und das Ziffernblatt und die Zeiger reflektierten für einen Bruchteil einer Sekunde das Licht der Sonne grell und gold…

    Richard parkte seinen Wagen direkt vor der mannshohen Steinmauer, die den Friedhof umgab. Der Friedhof, der wegen der Enge des Tals etwas außerhalb des Ortes lag, hatte etwas Mystisches. Es schien, als sei er auf einer Terrasse angelegt worden. Hinter ihm ragten die Felsen des Berges steil auf. Auf der anderen Seite, fiel ein üppig grünes Tal hinab. Die Sonne stieg gerade über die Felswand empor, so dass lediglich der vordere Teil des Geländes in Licht gehüllt war. Der Hintergrund lag geheimnisvoll im Schatten.
    Sie stiegen aus und als sie das steinerne Rundbogentor durchschritten, tauchten sie ein, in diesen mystischen Ort.
    Die Bäume, die man hier gepflanzt hatte, waren im Laufe der letzten Jahrhunderte zu einem dichten Wald zusammengewachsen. Nur durch die kleinen Lichtungen, die die schmalen Wege und Gräber darstellten, fiel das gleißende Sonnenlicht auf einzelne Gräber und Sträucher, wie Spotlichter in einem Theater.
    Sie durchquerten den Friedhof. Die Statue und das Grab, das sie aufsuchten, lagen direkt an der Felswand. Im Fels war ein Erker eingelassen, der wie eine lang gestreckte Muschel ausgemauert war. In ihm befand sich auf einer säulenartigen Empore der Engel.
    Der Engel war wundervoll. Er trug ein langes, wallendes Gewand und hatte majestätische Flügel. Er kniete und hatte die Arme
    ausgestreckt, als ob er jemanden empfangen wolle. Sein Gesicht strahlte große Sehnsucht aus.
    Richard stellte sich davor und betrachtete ihn aus mehreren Perspektiven. Der Gesichtsausdruck war beeindruckend. So fein und detailreich, als hätte man einen Menschen inmitten einer dramatischen Lebenssituation schockgefroren.
    „Besser geht’s nicht. Wenn ich eine Statue wie einen leibhaftigen Menschen fotografieren kann, dann diese hier“, sagte er nach einigen Minuten entzückt.
    „Wir müssen noch eine Weile warten, bis die Sonne weiter über den Berg gewandert ist. Noch steht sie voll im Schatten.“
    Immer wieder umschritt Richard den Engel. Mal hockte er sich vor ihm hin, mal näherte er sich seinem Gesicht bis auf wenige Zentimeter. Manchmal berührte er ihn mit ausgestrecktem Arm und wog seinen Kopf betrachtend hin und her.
     Anke hatte sich auf eine kleine Mauer gesetzt und beobachtete ihn. Anfangs amüsierte sie sich über seine merkwürdigen Bewegungen und Mimiken. Aber nach kurzer Zeit mischte sich eine gewisse Faszination dazu. Die Faszination darüber, wie sehr man sich einer Sache nähern kann. Sie zu erfassen versucht. Sich ihr hingibt und sich einen Dreck darum kümmert, dabei vielleicht albern auszusehen. So hatte sie die Dinge noch nie zu erfassen versucht. Ihre Art war es vielmehr, aus wohlüberlegter Distanz zu beobachten, um sich dann in aller Stille und einem gewissen Abstand damit zu beschäftigen. Der Gedanke an eine derartige Annäherung erfüllte sie mit Unbehagen und ein wenig Scheu. Unter die Faszination mischte sich auch ein wenig Neid. Nach einer Weile wandte sich Richard an sie.
    „Ich hol mal meine Kamera. Ich denke das Licht ist jetzt soweit.“
    Es dauerte nicht mehr als eine Zigarettenlänge, bis er mit seinem Kamerarucksack über der Schulter zwischen den Gräbern wieder auftauchte. Er wirkte besorgt.
    „Es kommt ein Unwetter auf!“, rief er, während er den Rucksack auf den Boden legte und eine Kamera herauszog.
    „Ein Gewitter zieht aus Richtung Tal direkt auf uns zu. Ich muss mich beeilen, in ein paar Minuten ist das Licht weg!“
    Ohne weitere Zeit zu verlieren, nahm er die Kamera auf und begann den Engel zu fotografieren. Zuerst aus einigem Abstand und aus den Perspektiven, aus denen er den Engel zuvor betrachtet hatte. Er arbeitete sehr konzentriert. Die Besorgnis war aus seinem Gesicht verschwunden und es schien, als wäre er die Ruhe in Person. Ab und an setzte er die Kamera ab, betrachtete sein „Modell“ mit sorgfältigem Blick, ging dabei einen Schritt nach links oder nach rechts, setzte die Kamera wieder an und fotografierte weiter.
    Aus der Ferne erklang immer deutlicher das bedrohliche Grummeln des sich rasch nähernden Gewitters.
    Anke beobachtete ihn aufmerksam. Wie er sich der Statue näherte, wie
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