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Black Box: Thriller (German Edition)

Black Box: Thriller (German Edition)

Titel: Black Box: Thriller (German Edition)
Autoren: Michael Connelly
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legte die Taschenlampe beiseite, um sich Handschuhe anzuziehen.
    »Leuchte mal auf ihre Brust«, forderte er Edgar auf.
    Sobald er sich die Handschuhe übergestreift hatte, beugte er sich über die Leiche. Sie lag auf der linken Seite. Ihr rechter Arm war über ihre Brust gefallen und verdeckte etwas, das an einer Schnur um ihren Hals hing. Bosch zog es behutsam hervor.
    Es war ein orangefarbener LAPD -Presseausweis. Bosch hatte im Lauf der Jahre einige dieser Dinger gesehen. Dieser sah neu aus. Seine Laminierung war noch klar und nicht verkratzt. Das Foto der blonden Frau, das auf dem Ausweis war, sah aus wie aus einer Verbrecherkartei. Darunter standen ihr Name und die Zeitung, für die sie arbeitete.
    Anneke Jespersen
    Berlingske Tidende
    »Sie ist von einer ausländischen Zeitung«, sagte Bosch. »Anneke Jespersen.«
    »Von wo?«, fragte Edgar.
    »Keine Ahnung. Aus Deutschland vielleicht. Hier steht Berlin … Berlin irgendwas. Keine Ahnung, wie man das ausspricht.«
    »Wieso schicken die jemanden wegen so was aus Deutschland her? Können die sich nicht um ihren eigenen Kram kümmern?«
    »Ich bin ja gar nicht sicher, ob sie überhaupt aus Deutschland ist. War nur so eine Vermutung.«
    Bosch blendete Edgars Gequatsche aus und betrachtete das Foto auf dem Presseausweis. Selbst bei dessen schlechter Qualität war zu erkennen, dass die Frau attraktiv gewesen war. Kein Lächeln, kein Make-up, ganz sachlich, das Haar hinter die Ohren gestrichen, ihre Haut so blass, dass sie fast durchscheinend war. In ihrem Blick war eine bestimmte Art von Distanziertheit, wie sie Bosch von Polizisten und Soldaten kannte, die zu früh zu viel gesehen hatten.
    Bosch drehte den Presseausweis um. Er sah echt aus. Presseausweise mussten jährlich erneuert werden, und um zu Pressekonferenzen der Polizei Zugang zu erhalten oder an einem Tatort durch die Sperre gelassen zu werden, brauchte jeder Journalist eine gültige Jahresmarke. Auf diesem Ausweis war eine Marke für 1992 . Das hieß, dass ihn das Opfer im Lauf der letzten hundertzwanzig Tage bekommen hatte. Aus dem tadellosen Zustand des Ausweises schloss Bosch jedoch, dass er erst vor kurzem ausgestellt worden war.
    Er machte sich wieder daran, die Leiche zu untersuchen. Das Opfer trug eine Bluejeans und eine weiße Bluse und darüber eine Ausrüstungsweste mit stark gewölbten Taschen. Daraus schloss Bosch, dass die Frau wahrscheinlich Fotografin gewesen war. Aber es waren keine Kameras an ihrem Körper oder in ihrer Umgebung. Sie waren gestohlen worden, und möglicherweise waren sie sogar das Mordmotiv gewesen. Die meisten Fotoreporter, die Bosch gesehen hatte, hatten immer mehrere hochwertige Kameras und einiges andere an Ausrüstung dabei gehabt.
    Bosch öffnete eine der Brusttaschen der Weste. Normalerweise hätte er das einen Rechtsmediziner machen lassen, da für die Leiche eigentlich der Coroner des County zuständig war. Aber er wusste nicht, ob überhaupt ein Team der Rechtsmedizin an den Tatort käme, und er wollte sich sofort Klarheit verschaffen.
    Die Tasche enthielt vier schwarze Filmdosen. Er wusste nicht, ob die Filme bereits belichtet waren. Als er die Tasche wieder zuknöpfte, spürte er etwas Hartes darunter. Er wusste, dass sich die Totenstarre nach einem Tag löste und eine Leiche danach wieder weich und beweglich wurde. Er zog die Ausrüstungsweste zur Seite und klopfte mit der Faust auf die Brust der Toten. Sie fühlte sich hart an, und das Geräusch, das dabei entstand, bestätigte ihm: Das Opfer trug eine kugelsichere Weste.
    »Schau dir mal diese Strichliste an«, sagte Edgar.
    Bosch blickte von der Toten auf. Edgars Taschenlampe war auf die Wand über ihr gerichtet. Das Graffiti direkt über dem Opfer war eine 187 er-Liste von Gang-Mitgliedern, die bei Straßenschlachten ums Leben gekommen waren. Ken Dog, G-Dog, OG Nasty, Neckbone und noch einige mehr. Der Tatort lag auf Rolling-Sixties-Territorium. Die Sixties waren eine Untergruppierung der Crips. Sie befanden sich in einem endlosen Krieg mit den benachbarten Seven-Treys, einer anderen Crips-Fraktion.
    In der Öffentlichkeit herrschte weitgehend die Ansicht, dass die Bandenkriege, die den größten Teil von South L.A. überzogen und jede Nacht der Woche ihre Opfer forderten, die Folge eines erbitterten Machtkampfs waren, in dem Bloods und Crips um die Vorherrschaft in einem Viertel kämpften. In Wirklichkeit waren es jedoch die Rivalitäten zwischen Untergruppen derselben Gang, die mit der größten
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