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Bittersuesser Verrat

Bittersuesser Verrat

Titel: Bittersuesser Verrat
Autoren: Rachel Caine
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und es ausschaltete.
    Ada warf ihr einen finsteren Blick zu, während ihr Geist durch Dinge schwebte, die im Weg herumstanden - Tische, Stühle, Lampen.
    »Ja«, sagte Myrnin so ruhig, als würde er jeden Tag mit elektronischen Geistern sprechen - was er eigentlich auch tat. »Ich dachte schon, ich hätte es verloren. Möchtest du es sehen?«
    Ada hielt an und ihr Abbild schwebte an einer freien Stelle in der Luft, ohne einen Schatten zu werfen. »Nein«, sagte sie. Da Claires Handy nichts mehr zu der Mischung beitrug, drang ihre Stimme jetzt schwach und kratzig aus einem alten Radiolautsprecher im hinteren Teil des Labors. »Nicht nötig. Ich erinnere mich an den Tag, an dem ich es dir geschenkt habe.«
    »Ich auch.« Myrnins Stimme blieb ruhig und Claire konnte beim besten Willen nicht heraushören, ob es sich um eine gute oder eine schlechte Erinnerung handelte.
    »Warum hast du es gesucht?«
    »Ich habe es nicht gesucht.« Das - da war sich Claire sicher – war eine weitere Lüge. »Ada, ich habe dich darum gebeten, nicht mehr hierherzukommen, es sei denn, ich rufe dich. Was, wenn jetzt andere Besucher hier gewesen wären?«
    Adas feines, nicht ganz lebendiges Gesicht verzerrte sich vor Zorn »Wer würde dich denn schon besuchen?«
    »Da magst du durchaus recht haben.« Sein Tonfall wurde kühl und gewann an Schärfe und Härte. »Ich will nicht, dass du hierherkommst, außer wenn ich dich rufe. Verstehen wir uns oder muss ich erst runterkommen und dich umprogrammieren? Und dafür würdest du dich dann kaum bei mir bedanken.«
    Sie starrte ihn an, wobei ihre Augen nur noch aus atmosphärischer Störung und Kälte bestanden. Schließlich wandte sie sich um - eine zweidimensionale Drehung, als wäre sie aus Pappkarton ausgeschnitten - und zuckte blitzschnell durch die harte Wand.
    Weg war sie.
    Myrnin atmete langsam aus.
    »Was zum Teufel war denn das?«, fragte Claire. Ada flößte ihr Angst ein und außerdem konnte Ada sie nicht ausstehen. Claire war gewissermaßen eine Rivalin, wenn es um Myrnins Aufmerksamkeit ging, und Ada...
    Ada war irgendwie in ihn verliebt.
    Myrnin sah auf die Halskette und das Porträt hinunter, das flach in seiner Hand lag. Einen Moment lang sagte er nichts und Claire dachte ehrlich, es würde ihn nicht weiter kümmern. Doch dann erklärte er, ohne sie anzuschauen: »Ich mochte sie wirklich, weißt du?« Er sagte das wohl mehr zu sich selbst als zu ihr. »Ada wollte, dass ich sie verwandle, also tat ich es. Sie war fast hundert Jahre bei mir, bevor...«
    Bevor er eines Tages ausgerastet ist, dachte Claire, und Ada starb, bevor er sich wieder im Griff hatte. Myrnin hatte an dem Tag, an dem sie sich kennengelernt hatten, gesagt, dass es gefährlich wäre, bei ihm zu sein, und dass er schon eine ganze Menge Assistenten gehabt hätte.
    Ada war die erste Assistentin gewesen, die er umgebracht hatte.
    »Sie konnten nichts dafür«, hörte Claire sich selbst sagen. »Sie waren krank.«
    Myrnins Schultern bewegten sich ein wenig - erst nach oben und dann nach unten -, ein winziges Schulterzucken. »Das ist eine Erklärung, aber keine Entschuldigung«, sagte er und sah zu ihr auf. Sie erschrak ein wenig über das, was sie sah - er sah fast, na ja, menschlich aus.
    Und dann war es weg. Er richtete sich auf, ließ die Kette in seine Westentasche gleiten und machte eine Kopfbewegung zu der Schachtel hin. »Weiter geht's«, sagte er. »Vielleicht ist ja auch etwas Nützlicheres als sentimentaler Schwachsinn da drin.«
    Autsch. Sie mochte Ada noch nicht mal und doch tat es weh. Sie hoffte, der Computer hörte gerade nicht zu - der Computer, der Adas irgendwie-noch-lebendiges Gehirn enthielt.
    Wohl kaum.
    Der Nachmittag verstrich. Claire lernte, die Papiere zu überfliegen, anstatt sie zu lesen; überwiegend waren es einfach Briefe, ein Archiv mit Myrnins Freundschaften zu Leuten, die längst nicht mehr existierten, oder Vampiren, die es immer noch gab. Viele der Briefe stammten von Amelie - aus all den Jahren. Interessant, aber es war immer noch Geschichte und Geschichte war mit Langeweile gleichzusetzen.
    Erst als sie fast am Boden der zweiten Kiste angelangt war, stieß sie auf etwas, was sie nicht erkannte. Sie nahm den seltsam geformten Gegenstand - eine Skulptur? - heraus und legte ihn auf ihren Handteller. Er war aus Metall, aber trotzdem erstaunlich leicht. Irgendwie schimmerte er leicht rostig, aber es war definitiv kein Eisen. Symbole waren darin eingeritzt, von denen einige alchemistisch
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