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Bittersuesser Verrat

Bittersuesser Verrat

Titel: Bittersuesser Verrat
Autoren: Rachel Caine
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schlecht.
    »Ah«, sagte ihr Boss und schaute durch die kleine, eckige, uralte Brille, die am Ende seiner langen, geraden Nase saß, auf sie hinunter. »Du kommst spät.« Er stand anderthalb Meter über dem Boden, auf der obersten Stufe der Leiter, aber er hüpfte herunter, als wäre das gar nichts, landete geschmeidig wie eine Katze auf seinen Füßen und glättete mit einem abwesenden kleinen Zupfen seine Weste.
    Myrnin war nicht besonders groß, aber er war... auf seltsame Art cool. Üppiges, langes Haar fiel ihm lockig auf die Schultern. Sein Gesicht war vampirblass, aber das stand ihm irgendwie ganz gut und er hatte diese markanten Züge, die einen Star aus ihm gemacht hätten, wenn er zum Film gewollt hätte. Große, ausdrucksstarke dunkle Augen und volle Lippen. Definitiv der Stoff, aus dem Titelmodels gemacht sind.
    Ebenso wie das Labor sah auch Myrnin jetzt gepflegter aus. Noch immer bevorzugte er Kleidung aus alten Zeiten, er trug eine Jacke aus schwarzem Samt, die nach unten ausgestellt war und ihm bis zum Knie reichte. Dazu ein weißes Hemd und eine hellblaue Weste. Auf seiner engen schwarzen Satinhose schimmerte die Kette einer Taschenuhr und...
    Claire starrte selbstvergessen auf seine Füße, die in Häschenhausschuhen steckten.
    Myrnin sah an sich hinunter. »Was?«, fragte er. »Die sind ziemlich bequem.« Er hob einen der Schuhe hoch, um ihn anzuschauen. Dabei flatterten die Häschenohren in der Luft.
    »Natürlich sind sie das«, sagte sie. Gerade als sie geglaubt hatte, dass Myrnin wieder alle Tassen im Schrank hätte, machte er so etwas. Vielleicht nahm er sie aber auch einfach auf den Arm. Das machte er gern. Seine dunklen Augen waren jetzt auf sie gerichtet und versuchten zu erkunden, wie durchgeknallt sie das fand.
    Auf einer großen Skala, die von null bis Myrnin reichte, rangierte das allerdings nicht besonders hoch.
    »Ich mag hübsche Häschenhausschuhe. Es überrascht mich aber, dass Sie nicht die mit den Vampirzähnen genommen haben«, sagte sie und ließ ihren Blick über das Labor schweifen. »Wow, hier sieht es fantastisch aus.«
    Myrnins Blick hellte sich auf. »Es gibt welche mit Vampirzähnen? Großartig!« Einen Augenblick lang sah er aus, als wäre er in Gedanken ganz weit weg, aber dann kam er mit einem Ruck wieder zurück ins Hier und Jetzt. »Danke. Es hat ganz schön lange gedauert, bis ich all die Geräte und Schmelztiegel, die ich brauche, bestellt hatte. Aber wusstest du eigentlich, dass man fast alles in diesem neuen Computernetzwerk, dem Interweb finden kann? Ich war ganz erstaunt.«
    Myrnin hatte den letzten hundert Jahren nicht besonders viel Aufmerksamkeit geschenkt. Es überraschte Claire jedoch nicht besonders, dass er nun das Internet entdeckt hatte. Warte nur, bis er die Pornoseiten entdeckt, dachte sie sich. Dem würde ein sehr unangenehmes Gespräch folgen. »Ja, es ist großartig, es gefällt uns sehr gut«, sagte sie. »Sie sagten, Sie brauchen mich heute...?«
    »Jaja, natürlich«, sagte er und ging zu einem der aufgeräumten Labortische hinüber, auf dem Kisten und Holztruhen standen. »Ich brauche dich, um das hier alles durchzusehen. Bitte. Schau mal, was wir davon noch brauchen können.«
    »Was ist da drin?«
    »Keine Ahnung«, sagte er, während er durch einen Stapel uralt aussehender Briefumschläge blätterte. »Die Sachen gehören mir. Na ja, glaube ich zumindest. Sie könnten früher jemandem gehört haben, der Klaus hieß, aber das ist eine andere Geschichte, über die du dir im Moment keine Gedanken zu machen brauchst. Schau nach, ob man irgendetwas davon noch brauchen kann. Wenn nicht, kannst du es wegwerfen.«
    So oder so schien es ihm egal zu sein, was ein weiterer seltsamer Stimmungsumschwung von ihm war. Claire wünschte sich beinahe den alten Myrnin zurück, den, den die Krankheit, an der er (und die anderen Vampire) gelitten hatte, richtig verrückt gemacht und der verzweifelt versucht hatte, wieder Kontrolle über sich zu erlangen. Die jetzige Version von Myrnin hatte sich zwar besser unter Kontrolle, war aber gleichzeitig auch unberechenbarer. Nicht gewalttätig oder wütend, einfach nur nie so, wie sie es von ihm erwartete. Zum Beispiel hatte sie ihn immer für jemanden gehalten, der Dinge eher aufbewahrt, als sie wegzuwerfen. Er war sehr sentimental - mehr als viele der anderen Vamps - und er schien es wirklich zu genießen, von seinen Sachen umgeben zu sein.
    Woher kam also sein plötzlicher Impuls für einen Frühjahrsputz?
    Claire
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