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Bittersueße Sehnsucht

Bittersueße Sehnsucht

Titel: Bittersueße Sehnsucht
Autoren: Tanja Rauch
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Mein Spiegelbild konnte ich kaum ertragen. Traurige, schwarz verschmierte Augen blickten mich an. Meine Haare standen nach allen Seiten ab. Langsam sank ich zu Boden und heulte. Die Tränen wollten nicht mehr versiegen. Zusammengerollt lag ich auf dem warmen Fliesenboden. Ich raufte mir die Haare und schrie! Dann schüttelte mich der nächste Tränenstrom durch. Meine Verzweiflung mischte sich langsam mit Wut. Auf Anna, auf mich, aber vor allem auf einen - diesen schmierigen Wichser!
Hysterisch zerrte ich mir die Kleider vom Leib und schmiss sie, ein Teil nach dem anderen, in die hinterste Ecke. Dann rutschte mit dem Rücken an der Wand wieder zu Boden. Ich starrte auf die stummen Zeugen aus Stoff, die als einzige von der widerlich grapschenden Hand mitbekommen hatten und nagte an meiner Unterlippe. Am liebsten hätte ich das Kleiderhäufchen einfach verbrannt. Ich würde sie sowieso nie wieder anziehen.
Warum?! Warum zum Teufel war ich bloß mitgegangen?!
Ich war weiß Gott kein Kind von Traurigkeit. Es war auch nicht so, dass Torben Hendriks kein attraktiver Mann wäre. Ich konnte auch Anna irgendwie verstehen, als sie sich betrunken an ihn rangemacht hatte. Aber die Art, wie er sich nahm, was er wollte - ohne auf irgendjemand Rücksicht zu nehmen - widerte mich an! 
    Langsam, ganz langsam beruhigte ich mich ein bisschen. Schniefend zerrte ich ein Kosmetiktuch aus seiner Box und schnäuzte mir die Nase. Ich atmete tief durch und beschloss, unter die Dusche zu steigen. Ich wollte die Berührungen von ihm von meinem Körper waschen. Ich wünschte mir, dass der gesamte gestrige Abend einfach im Ausguss verschwand. Natürlich wusste ich, dass das nicht funktionieren würde, aber es war immerhin ein Anfang.
Ich drehte das heiße Wasser auf und wartete, bis es angenehm warm war. Zögernd trat ich unter den Duschstrahl und atmete auf, als mir der warme Strahl über den Körper lief. Ich ließ mir viel Zeit und als das Bad von einem nahezu undurchsichtigen Nebel aus Wasserdampf erfüllt war, stieg ich aus der Duschwanne und wickelte mich in ein Handtuch.
    Ich beschloss, den gesamten Tag im Bett zu verbringen. Also tapste ich den Flur rüber, in mein Schlafzimmer. Zurzeit bewohnte ich fast allein die obere Etage, da mein Vater sein Bett meistens unberührt ließ. Oft war er sowieso auf Dienstreisen, oder er kam so spät nach Hause, dass er schon unten auf der Couch einschlief. Das vertraute Rascheln meiner Perkal-Bettwäsche ließ mich ein bisschen ruhiger werden. Die Decke umfing schützend meinen Körper und ich fühlte mich wohl und geborgen. Die kurze, aufwühlende Nacht, der Alkohol und die heiße Dusche zeigten schneller als gedacht ihre Wirkung. Ich wurde schläfrig und verfiel in eine Art Dämmerschlaf. Ich hatte eigenartige Träume, die mich zwar kurz aufschrecken, aber immer wieder in den Schlaf zurückfallen ließen.
     

Bittersüß
    Es klopfte an meiner Zimmertür. Ich schlug irritiert die Augen auf. „Ja?“, kam es mir nur zögerlich über die Lippen. Die Klinke wurde heruntergedrückt und auf der Türschwelle erschien mein Vater. Er hielt ein Tablett in den Händen, von dem ein köstlicher Duft in mein Zimmer strömte und den ganzen Raum erfüllte. Ein verschmitztes Lächeln umspielte seine Lippen, als er an mein Bett trat. „Guten Morgen, Dornröschen. Ich dachte, du könntest nach deiner langen Nacht ein ordentliches Frühstück brauchen.“
Ich streckte meinen Rücken durch, setzte mich auf und fuhr mir durch die Haare. „Wie spät ist es?“ Fragend schaute ich ihn an, während er das Tablett auf der Bettkante abstellte. „Sechs Uhr abends“, erwiderte er lachend. „Du hast den ganzen Tag verschlafen. Ich bin heute Mittag nach Hause gekommen und habe dich tief schlafend vorgefunden.“ Ich stöhnte und sank zurück in die Kissen. 
    „Wie war eure Weihnachtsfeier?“ Die unausweichliche Frage, traf mich wie eine Ohrfeige. Unwillkürlich versteifte sich mein ganzer Körper und das Lächeln gefror mir auf den Lippen. Ich wollte ihm nichts davon erzählen, denn ich hatte Angst, er würde mir nicht glauben. Niemanden würde ich es erzählen, ich fühlte mich zu sehr gedemütigt. „Ähm…ja…wie immer. War danach noch bei Anna“, gab ich eine frostige Antwort zurück und mein Vater zog argwöhnisch die Brauen nach oben. „Aha“, machte er nur. Dann sah er betreten auf seine Schuhe. Es war noch nie seine Stärke, Probleme mit mir zu besprechen. Darum hatte ich das stets mit mir selbst
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