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BitterSueß

BitterSueß

Titel: BitterSueß
Autoren: Antje Ippensen
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– aber es ist natürlich ein gutes Gegengewicht zu meinem heftigen Job … und außerdem kommt Alpha ab und zu dorthin.
    Mit ihr verband mich eine intensive Freundschaft; so manches Mal hatte ich mich auch schon gefragt, ob es nicht sogar mehr werden könnte … aber dann schreckte ich allein vor dem Gedanken zurück. Komisch, eigentlich. Denn ich mochte sie, fand sie auch körperlich anziehend.
    Gestern allerdings, kurz vor der monatlichen Kollektivsitzung, trug gerade Alpha dazu bei, dass es für mich im Weibernest schrecklich war, zu Beginn jedenfalls. Anlass war folgender: Also ich hatte den Frauen gerade einen Computer gespendet. Alle waren begeistert. Fast alle.
    »Was täten wir nur ohne unsere große Mäzenin!«, sagte Alpha spöttisch und prostete mir ironisch zu.
    Ich hob ihr mein Glas entgegen, ohne eine Miene zu verziehen, obwohl ich den Stich wohl spürte und auch verletzend fand. Wie eine kalte Dusche schüttete sie ihre Worte samt höhnischen Blicken über mich. Aber ich kannte Alpha schon lange; so war sie – direkt bis an die Schmerzgrenze und manchmal auch darüber hinaus.
    Die Blicke der anderen Kollektivfrauen gingen von mir zu ihr; alle spürten die Spannung, die plötzlich zwischen uns entstanden war.
    »Ich finde es sinnvoll, was ich da tue«, entgegnete ich ruhig, da Alpha mich weiterhin anfunkelte.
    »Du hast dich ans Kapital verkauft«, behauptete meine Freundin, »noch dazu an extrem widerliche Kapitalisten! Es ist schmutziges Geld – Scheiße, es ist so, als würdest du auf den Strich gehen!«
    Unsere Mitfrauen hielten allesamt den Atem an.
    Ich blieb weiterhin ruhig und fragte mich, was in sie gefahren sein mochte. Sie hatte schon früher gegen QUASI gestichelt und auch diese marxistischen Argumente vorgebracht, sehr altmodisch, sehr rührend … aber noch nie war sie so weit gegangen. Ich würde es bestimmt nicht noch einmal sagen, doch ich blieb bei meiner tatsächlich Meinung, dass mein Job Sinn machte – nicht nur für das »Weibernest«. Das Café pfiff nämlich finanziell auf dem allerletzten Loch, es war marode und seine Kollektivfrauen, die es führten, heillos zerstritten. Durch mein Geld, meine reichlich fließenden Spenden, war endlich wieder ein bisschen Ruhe, Spaß und Harmonie eingekehrt. (Hm, indem ich das niederschreibe, merke ich selbst, dass es ein bisschen eingebildet klingt. Also, natürlich ist Geld nicht alles. Es macht nur die Dinge ein bisschen geschmeidiger und glättet die Ecken und Kanten bei Konflikten innerhalb einer ehrenamtlichen Institution.)
    Jedenfalls, Neid konnte es bei Alpha nicht sein. Sie war materiell bedürfnislos, eine leidenschaftliche Anarchistin, die sich überall durchschlängelte. Ich bewunderte das. Vielleicht aber fühlte sie sich emotional vernachlässigt?
    Plopp. Ich machte mir ein Bier auf und drehte mir einen Joint. »Ich weiß, was du meinst, Alpha, und manchmal denke ich sowas auch«, meinte ich grinsend. »Die Pharmafabrik damals war ja schon schlimm genug, aber das hier … es ist so, als wäre ich in einem goldenen Spinnennetz gefangen. Andererseits – indem ich ordentlich was von der Kohle hierher trage, kommt es mir eben manchmal doch eher so vor, als würde ich dem Kapital eins auswischen und nicht andersherum.«
    Alpha starrte mich an. Bestimmt hatte sie erwartet, dass ich wütend werden würde oder einschnappen wie ein Taschenmesser – normalerweise auch tatsächlich meine Spezialität. Nach einer Ewigkeit erwiderte sie mein Grinsen zögerlich.
    »Okay, Mädels«, sagte ich forsch, »was steht auf der Tagesordnung?« Damit ließ ich den Joint kreisen und die Spannung löste sich endgültig im süßlich-aromatischen Rauch auf.
    Wir litten unter chronischem Besucherinnenschwund. Das Weibernest hatte so recht keine eindeutige Identität, und wir boten zu wenig an. Jetzt allerdings wollte das örtliche Seelengesundheitsinstitut (kurz SGI) mit uns zusammenarbeiten. Eine leitende Ärztin hatte sich an Sina, die zweite Vorsitzende, gewandt und ihr den Vorschlag unterbreitet, Frauen, die als geheilt entlassen wurden und die nicht wussten wohin, erst einmal zu uns zu schicken, damit wir sie betreuten.
    Sina glühte förmlich vor Begeisterung, als sie uns diese Idee unterbreitete.
    »Ich finde das gut«, sagte ich und verlieh so der allgemeinen positiven Stimmung Ausdruck. »Wir sollten uns nur mental gut genug darauf vorbereiten … uns Informationen holen und Rückhalt auch aus dem SGI. Das Wichtigste ist aber Empathie, und die
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