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BitterSueß

BitterSueß

Titel: BitterSueß
Autoren: Antje Ippensen
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Fehler in die Software hineinprogrammiert, dergestalt, um sie als Bedienungsfehler erscheinen zu lassen, die er dann dem ahnungslosen Kunden vorwirft. So schindet er zum Beispiel Zeit, teuer bezahlte, und erringt Aufschub, wenn man mal wieder mit den Terminen völlig im Rückstand ist. ACW hat »seine Leute« und gilt als superintrigant. Auch möchte er gerne Projektleiter werden..
    Mein moralischer Sinn sagt mir: »Bloß die Finger weg von so einem Typen, auch kein Flirt«, aber ein machtvoller Teil in mir hört einfach nicht darauf.
    Purer Kontrast zum kalten Intrigendickicht des Projekts war mein Zusammensein mit Alpha am Samstag. Zuerst lud ich sie, wie abgemacht, zum Vietnamesen ein, wir schmausten nach Herzenslust, tranken und rauchten aber nur mäßig, und da wir so schön im Gespräch waren, ließen wir den Abend gemütlich bei mir ausklingen.
    Bewusst hatte ich nur wenig über das Projekt gesprochen, obwohl mir das nicht leicht fiel. Wir hatten uns unterhalten über das Weibernest, über anstehende Demos gegen Atomkraft und Globalisierung, also deren menschenverachtende Seiten, über Frauenrechte weltweit, über eine gemeinsame entfernte Bekannte, die gerade vom Heroin losgekommen war, und über Alphas neueste künstlerische Beschäftigung: Auf einem alten Fabrikgelände, totale Industrieromantik, schuf sie eine gewaltige Installation aus Kürbissen und Papierkugeln. Sie hatte sich zusammengetan mit einer ganzen Gruppe von anarchischen Künstlern. Alpha erwog, mich in ihrer nächsten Performance miteinzubeziehen. Nach meinen literarischen Ideen erkundigte sie sich aber nicht, sie war Feuer und Flamme für ihre eigenen Sachen, und vermutlich nahm sie an, dass ich eh im Moment nichts anderes tat, als mich mit Haut und Haaren vom Projekt verschlingen zu lassen.
    Ich lauschte immer gerne, wenn sie erzählte, doch am Samstagabend wuchs langsam in mir ein Gefühl der Unzufriedenheit. Es war, als ob eine Glasmauer zwischen uns stünde, und das tat mir weh, denn ich konnte mich noch gut an die Zeiten erinnern, in denen wir ein Herz und eine Seele gewesen waren.
    Alpha, Hardcore-Feministin, bisexuell, Ex-Punk und Ex-Sympathisantin der RAF, fühlte sich, wie ich glaubte, angezogen von meiner Unerfahrenheit, meiner Naivität in vielen Dingen und, na ja, wohl auch durch mein schriftstellerisches Können. Wir waren mal zusammen nach Wien gefahren, in die Stadt der dekadenten schummrigen Kaffeehäuser, hatten im Auto übernachtet und ich hatte Alpha UND MICH zum Schreien gebracht, indem ich Horrorgeschichten erfand, die so überzeugend waren, dass ich mich selbst ebenfalls gruselte. Dauerhafte Beziehungen führte Alpha sonst nicht, dazu lebte sie viel zu unstet, und ich konnte mir vorstellen, dass sie hoffte, mich ein Stück weit formen zu können, da ich alles an neuen Erfahrungen gierig in mich aufsog wie ein Schwamm. Sie war es gewesen, die mich ins Frauencafé »Weibernest« gebracht hatte und sie hatte mir auch den einen oder anderen »politisch korrekten« Nebenjob vermittelt.
    Überflüssig zu sagen, dass ich mir den Job bei QUASI ohne ihre Hilfe ausgesucht hatte.
    Alpha räkelte sich auf meinem Sofa, schlürfte geräuschvoll Rotwein und murmelte, müde vom unablässigen Reden: »Mach doch mal die Glotze an.«
    Sie selbst besaß keinen Fernseher, schließlich war sie beinahe wohnsitzlos. Ich zappte also durch die Kanäle, Talkshows, Dokus, Sport, Musikfilme, erntete immer nur unwilliges Grunzen und endlich nur noch leises Schnarchen – Alpha war eingedöst.
    Ich blieb bei einem älteren James Bond Film hängen. Da ich mir nicht sicher war, ob ich den kannte, schaute ich gespannt in die Flimmerkiste … ich mochte den cool-charmanten James Bond. Ah, hier George Lazenby in seinem einzigen Auftritt als 007. Hochinteressant.
    Er packt ihr Handgelenk, verdreht es.
    »Sie tun mir weh!«, sagt Diana Rigg zu George Lazenby.
    Er: »Darauf haben Sie es doch den ganzen Abend angelegt.«
    Dann ohrfeigt er sie.
    Links neben mir stieß Alpha, die gerade in dem Moment, da diese Szene über den Bildschirm flimmerte, erwacht war, ein angewidertes Knurren aus. »Bäh, wie ekelhaft sexistisch!«, schnaubte sie. »Was ist das denn? Ein Scheiß-Bond-Film mit diesem grässlichen Macho und seinen hohlköpfigen Miezen?! Das glaub ich einfach nicht, dass du so einen Mist guckst, Janet!«
    Ich wollte mich verteidigen. Ich wollte widersprechen – gerade dieser Bond-Film hatte in Diana Rigg eine starke Frau. Dass sie weder schrie noch
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