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Bitter im Abgang

Bitter im Abgang

Titel: Bitter im Abgang
Autoren: Aldo Cazzullo
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Zwanzig Jahre lang gab es nur eine einzige. Und jetzt gibt es plötzlich drei, sechs, neun. Und jede Partei hat ihre bewaffneten Milizen. Die Monarchisten, die Liberalen, die von Gerechtigkeitund Freiheit, die Sozialisten, die Kommunisten. Und wir sind in einer schwachen Position. Wie heißt es in der Bibel? Seid daher arglos wie die Tauben …»
    «… und klug wie die Schlangen», ergänzte Pater Bergoglio, als wäre die Bibelstelle auf ihn persönlich gemünzt.
    «Verzeihung, Exzellenz», meldete sich Don Tadini schüchtern zu Wort. Er hatte es eilig, zur Sache zu kommen, weil die beiden Strolche in seiner Kirche auf ihn warteten. «Aber was hat das mit den Kisten zu tun, die man bei mir im Keller der Madonna Moretta deponiert hat …»
    «Sie haben recht, Tadini. Ich hätte es ihnen vorher erklären sollen. Sie kennen sicher das Schicksal der Vierten Armee, die den Süden Frankreichs besetzt hatte. Gute Soldaten. Sie haben die Juden vor der deutschen Barbarei bewahrt, solange sie konnten. Viele von ihnen wurden gefangen genommen und nach Deutschland verschleppt, und wer weiß, ob sie je zurückkommen. Einigen ist es gelungen, einen Teil des Armeevermögens in Sicherheit zu bringen. Die Verpflegungskasse, beschlagnahmte Gelder, Güter, die eine Besatzungsarmee unweigerlich anhäuft. Die Herkunft des Goldes braucht uns nicht zu interessieren. Wir müssen verhindern, dass es in die falschen Hände fällt. Oberst Murazzano ist es gelungen, einenTeil davon zu retten. Leider haben wir seit Tagen keinen Kontakt mehr zu ihm, und es steht zu befürchten, dass die Deutschen ihn gefasst haben. Glücklicherweise haben es seine Geheimagenten bis in die Stadt geschafft, über die Straße von Cortemilia. Dieses Gold, so der Oberst, gehört dem neuen Italien. Als guter Christ wollte er es der Kirche anvertrauen. Anfänglich haben wir gezögert. Doch dann», fügte der Bischof mit Blick auf Pater Bergoglio hinzu, «haben wir es für unsere Pflicht gehalten, uns dieser Verantwortung zu stellen. Es gibt viele arme Leute, die auf uns blicken wie auf eine rettende Arche. Wir müssen diese Last auf uns nehmen, das Getreide einlagern mit Rücksicht auf die mageren Jahre, die uns bevorstehen. Mit der Zeit werden wir die richtigen Leute finden, die es verstehen, die Talente richtig einzusetzen und zu mehren.» Hier warf der Bischof Pater Bergoglio einen weiteren Einverständnis heischenden Blick zu. Dann fuhr er fort: «Es war wichtig, dafür zu sorgen, dass dieses Gold nicht in die falschen Hände gerät. Und ihre Pfarrgemeinde, mein lieber Tadini, liegt direkt an der Straße von Cortemilia. Den Schatz in die Stadt zu bringen, war zu gefährlich. Am nächsten Tag wäre er Stadtgespräch gewesen. Aber dadurch, dass wir ihn im Keller der Madonna Moretta versteckt haben, hat niemand etwas davon bemerkt.»
    «Fast niemand.»
    «Wohl wahr. Deshalb müssen wir jetzt entscheiden, was wir mit den Partisanen machen.»
    «Und was für Partisanen, Exzellenz. Kommunisten. Wir dürfen nicht nachgeben. Was würden sie damit machen? Sie würden das Gold bestimmt der Partei geben. Damit fiele der ganze Reichtum in die Hände der Kirchenfeinde. Und wenn sie das Geld dann noch hier in der Gegend ausgeben, nicht auszudenken. Es würde die Leute in Alba vom rechten Weg abbringen, die Armen im Geiste, die durch den Krieg noch mehr verloren haben. Die Kommunisten würden die Stadt übernehmen. Das können wir nicht zulassen.»
    «Ich bewundere Ihren Mut, Tadini, und ich teile Ihre Einschätzung. Aber was wird dann aus Ihnen? Diese Leute scherzen nicht. Die bringen Sie um. Und das kann ich nicht zulassen.»
    «Ich bin bereit. Auch Christus hat sich vor seinen Henkern nicht gefürchtet. Da kann ich doch wohl eine Kugel hinnehmen.»
    «Das kann ich nicht zulassen», wiederholte der Bischof. «Ich werde selbst mit ihnen verhandeln. Sie werden es nicht wagen, die Hand gegen einen Bischof der heiligen römisch-katholischen Kirche zu erheben.»
    Um sich gegenseitig Mut zu machen, hatten sich die beiden derart ereifert, dass sie im Gesicht ganz rotangelaufen waren. Pater Bergoglio hingegen hatte weder sein Lächeln noch seinen Sarkasmus verloren.
    «Jetzt wollen wir aber mal die Kirche im Dorf lassen. Ein Bischof verhandelt nicht mit Aufständischen. Und ein Pfarrer muss sich nicht umbringen lassen, um der Kirche zu dienen. Und ein Partisan, auch wenn er Kommunist ist, könnte sich als vernünftiger erweisen, als wir alle glauben. Es gibt immer eine Lösung. Eine
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