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Bitte nicht füttern: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)

Bitte nicht füttern: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)

Titel: Bitte nicht füttern: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)
Autoren: Sarah Harvey
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...«
    Fehlte es ihr? Fehlte ihr London?
    Diese Frage stellte sich Diana im folgenden Jahr immer wieder. Und jedes Mal fiel ihre Antwort unterschiedlich aus.
    Doch je länger sie in Quinn lebte, je mehr sie mit den schrägen, aber freundlichen Menschen in dieser aparten, seltsamen kleinen Hafenstadt zu tun hatte, desto deutlicher wurde ihr, dass ihr London in etwa genau so sehr fehlte wie ein Loch im Kopf.
    Und das war der hauptsächliche Grund für die Tränen, die ihr jetzt über die Wangen liefen. Der Brief, den die netten Damen von der Reinigung in Peters Sakkotasche gefunden und Diana vor zwei Stunden und drei Stücken Schokoladenkuchen überreicht hatten, war jedenfalls nicht der Grund.
    Die beiden Damen waren ganz betreten gewesen. Hatten den Brief wohl gelesen. War ihnen ja auch nicht zu verdenken, oder? Würde doch jeder machen, wenn er einen solchen Brief fand, oder? Parfümiert, rosa Umschlag, Kussmund als Absender.
    Parfümiert, rosa Umschlag, Kussmund als Absender und adressiert an einen der berühmtesten Schauspieler des Landes.
    Den würde doch jeder lesen. Zumal der Umschlag ja schon offen war.
    Den würde jeder lesen und so noch vor der Ehefrau jenes berühmten Schauspielers erfahren, dass dieser sie seit fast acht Monaten mit einem halb so alten und halb so schweren Nachwuchssternchen betrog, und dass dieses halb so alte und halb so schwere Nachwuchssternchen das Kind erwartete, das die Ehefrau sich immer sehnlichst gewünscht, aber leider nie bekommen hatte.
    Sie weinte nicht, weil sie jetzt ein für alle Mal wusste, dass Englands berühmtestes Paar am Ende seines gemeinsamen Weges angekommen war.
    Sie beweinte nicht den Verlust des Mannes, mit dem sie zwölf Jahre lang verheiratet gewesen war. Des Mannes, der sich in den letzten zwölf Monaten als so unendlich egozentrisch entpuppt hatte, dass er sich selbst als ihr idealer Lebenspartner disqualifizierte. Sie weinte auch nicht, weil sie nun – jenseits der verdammten vierzig – wieder allein sein würde und ihre Chancen, doch noch Mutter zu werden, wohl so gering waren wie die Wahrscheinlichkeit, im Lotto zu gewinnen. Und irgendwie passte es ja. Hatte bestimmt mit Karma zu tun. Schließlich war Peter verheiratet gewesen, als sie ihn kennenlernte. Sie hatten sich auf eine stürmische Affäre eingelassen, während Peters Frau mit drei kleinen Kindern zu Hause saß.
    Wahrscheinlich war das die Strafe dafür.
    Nein, nein, sie weinte nicht, weil ihre Ehe zu Ende war.
    Sie weinte, weil sie wusste, dass sie seine drei Kinder, die sie über die letzten fünfzehn Jahre hatte aufwachsen sehen und die für sie wie ihre eigenen waren, jetzt unweigerlich seltener sehen würde. Sie weinte, weil die Abwärtsspirale, in der sich ihr Leben befand, eine weitere Windung bekommen hatte. Und sie weinte, weil sie das alles hier so lieb gewonnen hatte: Die halb demente Schwiegermutter, den verrückten Papageien, den niedlichen kleinen irischen Wolfshund Trevor, der inzwischen so groß war wie ein kleiner Esel, und vor allem das viel zu große baufällige Groschengrab und die schräge Stadt mit ihren schrägen Einwohnern. Sie hatte das Leben hier so lieb gewonnen, und jetzt würde sie es wieder verlassen müssen, weil Peter seine Hälfte des Hauses beanspruchen würde und sie keinerlei Möglichkeit hatte, ihn auszubezahlen.
    »Ich will hier nicht weg ...«, sagte sie laut, und der Wind antwortete mit einem Heulen.
    In dem Moment klingelte das Telefon.
    Zehn Minuten später legte Diana wieder auf und stellte überrascht fest, dass sie wieder lächelte.
    Schon komisch, dachte sie, als das Telefon wieder klingelte. Wie Dinge, vor denen man Angst hatte, gar nicht mehr so Furcht einflößend waren, wenn man Freunde hatte.
    Rory legte auf und konnte zum ersten Mal seit seinem Telefonat mit Freddie wieder lächeln. Schon komisch, dachte er, als er sich auf den Weg in die Küche machte, um Vorbereitungen für das Abendmenü zu treffen. Wie Dinge, vor denen man Angst hatte, gar nicht mehr so Furcht einflößend waren, wenn man Freunde hatte.

– 6 –
    »Linda!« Die melodische, aber resolute Stimme ließ für einen Moment das nicht minder melodische, aber zartere Zirpen der Zikaden an diesem heißen Nachmittag unter der spanischen Sonne verstummen.
    Linda schwitzte. Den ganzen Tag hatte sie ihrem Vater, ihrem Onkel Alessandro und den vielen Arbeitern in den sanft geschwungenen Weinbergen ihres Familiengutes dabei geholfen, zahllose preisgekrönte Reben zu beschneiden. Jetzt
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