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Bis(s) 2 - Bis(s) zur Mittagsstunde

Bis(s) 2 - Bis(s) zur Mittagsstunde

Titel: Bis(s) 2 - Bis(s) zur Mittagsstunde
Autoren: Stephenie Meyer
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an mich selbst gerichtet. »Dass mir das Herz nicht mehr jedes Mal aus der Brust springen will, wenn du mich berührst?«
    »Das will ich doch nicht hoffen«, sagte er ein wenig selbstgefällig.
    Ich verdrehte die Augen. »Komm, wir gucken uns an, wie die Capulets und die Montagues sich zerfleischen, okay?«
    »Dein Wunsch ist mir Befehl.«
    Edward streckte sich auf dem Sofa aus, während ich den Videorecorder einschaltete und den Vorspann vorspulte. Als ich mich vor ihn aufs Sofa hockte, schlang er die Arme um meine Taille und zog mich an seine Brust. Sie war hart und kalt und vollkommen wie eine Eisskulptur – zwar nicht ganz so bequem wie ein Sofakissen, aber diesem doch eindeutig vorzuziehen. Er nahm die alte Decke von der Rückenlehne und legte sie mir um, damit ich so nah an seinem Körper nicht fror.
    »Also, Romeo geht mir immer ganz schön auf die Nerven«, sagte er, als der Film begann.
    »Was hast du denn gegen Romeo?«, fragte ich etwas beleidigt. Romeo war einer meiner Lieblingshelden in der Literatur. Ehe ich Edward kennenlernte, hatte ich ein bisschen für ihn geschwärmt.
    »Na ja, zuerst war er in diese Rosalind verliebt – findest du nicht, dass ihn das ein wenig wankelmütig erscheinen lässt? Und dann ermordet er wenige Minuten nach der Hochzeit Julias Cousin. Das ist nicht besonders klug. Er macht einen Fehler nach dem anderen. Er hätte sein Glück wohl kaum noch gründlicher zerstören können, oder?«
    Ich seufzte. »Soll ich den Film lieber alleine gucken?«
    »Nein, ich werde ohnehin hauptsächlich dich anschauen.« Er zeichnete mit den Fingern Muster auf meinen Arm und ich bekam eine Gänsehaut. »Wirst du weinen?«
    »Wahrscheinlich«, gestand ich. »Wenn ich aufpasse.«
    »Dann will ich dich nicht ablenken.« Doch ich spürte seine Lippen auf meinem Haar, und das lenkte mich ziemlich ab.
    Nach einer Weile fesselte mich der Film dann doch, zum großen Teil deshalb, weil Edward mir Romeos Text ins Ohr flüsterte – gegen seine unwiderstehliche Samtstimme wirkte die Stimme des Schauspielers schwach und grob. Und zu Edwards Belustigung weinte ich tatsächlich, als Julia erwachte und feststellen musste, dass ihr junger Gemahl tot war.
    »Ich muss zugeben, dass ich ihn darum ein wenig beneide«, sagte Edward und trocknete meine Tränen mit einer Locke meiner Haare.
    »Sie ist sehr hübsch.«
    Er schnaubte verächtlich. »Ich beneide ihn nicht um das Mädchen – sondern um die Tatsache, dass er so mühelos Selbstmord begehen kann.« Sein Tonfall war neckend. »Ihr Menschen habt es so leicht! Ihr braucht nur ein kleines Röhrchen mit Pflanzenextrakten hinunterzukippen …«
    »Was?«, sagte ich erschrocken.
    »Einmal gab es eine Situation, in der ich das erwog, und nach Carlisles Erfahrung wusste ich, dass es nicht leicht sein würde. Ich weiß nicht genau, auf wie viele Arten Carlisle versucht hat, sich zu töten … ganz am Anfang, als ihm klarwurde, was aus ihm geworden war …« Sein Tonfall war ernst geworden, jetzt wurde er wieder leichter. »Und er erfreut sich immer noch bester Gesundheit.«
    Ich drehte mich um und schaute ihm ins Gesicht. »Wovon redest du?«, fragte ich. »Was meinst du damit, ›es gab eine Situation, in der ich das erwog‹?«
    »Im letzten Frühling, als du … fast ums Leben gekommen wärest …« Er verstummte und holte tief Luft. Er gab sich alle Mühe, zu dem neckenden Ton zurückzufinden. »Natürlich habe ich alles darangesetzt, dich lebend zu finden, doch ein Teil meines Hirns schmiedete Pläne für den Fall, dass ich es nicht schaffe. Wie gesagt, für mich ist es nicht so einfach wie für einen Menschen.«
    Eine Sekunde lang rauschte mir die Erinnerung an meine letzte Reise nach Phoenix durch den Kopf und mir wurde schwindelig. Ich sah alles genau vor mir – die blendende Sonne, die Hitzewellen über dem Zement, als ich in rasender Hast den sadistischen Vampir aufzuspüren versuchte, der mich zu Tode quälen wollte. James, der mit meiner Mutter als Geisel in dem verspiegelten Raum wartete – das hatte ich jedenfalls geglaubt. Ich wusste nicht, dass es nur ein Trick war. Genau wie James nicht wusste, dass Edward zu meiner Rettung eilte. Edward war rechtzeitig gekommen, aber es war knapp gewesen. Gedankenverloren zeichnete ich die sichelförmige Narbe auf meiner Hand nach, die immer ein paar Grad kälter war als die übrige Haut.
    Ich schüttelte den Kopf – als könnte ich damit die schlechten Erinnerungen abschütteln – und versuchte zu begreifen,
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