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Bismarck 03

Bismarck 03

Titel: Bismarck 03
Autoren: Karl Bleibtreu
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Bravour muß man ihm lassen. Clausewitz rühmt die Festigkeit napoleonischer Kolonnen im Kartätschenfeuer. Doch diese Kolonnenform, wie die Macdonalds bei Wagram, Erlons bei Waterloo, war eine staffelförmige mit seitlich herausgezogenem Hintertreffen und vermehrte kaum den Verlust; denn die Friedericianische und Wellingtonsche Lineartaktik zahlte bei Kollin, Kunersdorf, Albuera und Waterloo gleiche Opfer. Was ist das alles neben den Massenstürmen in der Champagne und bei Arras, teils in wirklichen dichten Sturmsäulen, später in dicken Wellen hintereinander, in die unsere Sichel mähend hindurchfuhr!
    Doch so sehr dies zu bewundern, wie trübt das Bild die bösartige Verbissenheit, mit der z. B. General Bazelaire bei Verdun im Tagesbefehl Milde und Schonung gegen Gefangene verbot, man solle sie zu tiefster Unterwürfigkeit anhalten, d. h. grausam behandeln! Das sind die Menschen, die über deutsche Brutalität plumpe Fabeln erfanden. Und wie ungeschickt sie logen! Eigenartig berührt die Forderung des gleichen Bazelaire, man solle die übliche Phrase »überlegene Kräfte des Feindes« weglassen, man habe ihn nicht zu zählen, sondern zu schlagen. Immer hörte Frankreich von frischen deutschen Divisionen (wär's doch wahr gewesen angesichts erdrückender Übermacht), nie von französischen. Wäre Aufpassen und Nachdenken eine Pariser Eigenschaft, hätte man längst den komischen Widerspruch erfaßt, daß ständige Prahlerei mit Ententeübermacht und Auspumpung deutscher Reserven stets mit Erdichtung deutscher Übermacht auf dem Schlachtfeld Hand in Hand ging. Um so schlimmer: entweder war ersteres oder letzteres erlogen, die Führung unter aller Kritik, wenn sie trotzdem gegen »überlegene Kräfte« focht. Napoleon I. war außer sich, wenn die Pariser Presse seine Minderzahl hervorhob, sie müsse seine Streitmacht vielmehr größer angeben, als sie sei. Obiges wirkt tragi-komisch, doch die Komik endet bei den von Pariser Kulturbarbarei eingesegneten Hackmessern der Mohren, die an armen Verwundeten jede Verstümmelungsscheußlichkeit verübten. Reinen Heiterkeitserfolg hat aber das Staunen edler Buschmänner Australiens, weil sie bei den Antipoden etwelche Irrtümer über Alleinherrschaft des Union Jack nährten. In angelsächsischen Unwissenheitsdünkel schlug der Weltkrieg ein derbes Loch.
    Spielen mit Wahrheitsliebe am unrechten Ort betrügt sich aber selbst mit Aufrichtigkeitsschein.
    Welch albernes Verfahren, dem deutschen Publikum von Anfang an die Ententeberichte vorzulegen! So töricht war man drüben nicht; man ließ kein Lüftchen der Wahrheit durch. Doch unsere Oberlehrer mit Karmoisin-Hosenstreifen des Magisterkollegiums der »Halbgötter« am grünen Geheimratstisch militärischer Pedanterie gewinnen keinen Weltkrieg. Die Entente war, weiß Gott, von Feldherrnfähigkeit unangekränkelt, aber wenigstens nicht von Bedenklichkeit; ihr Wille zum Sieg schreckte vor nichts zurück, und sollten ihre Völker dabei alle auf der Strecke bleiben. Sie spielten von Anbeginn mit dem höchsten Einsatz, verdoppelten ihn nach jedem Verlust, verloren, verloren, verloren und sprengten mit dem letzten Gewinn die Bank.
    Welch' entscheidende Dummheit, die Erklärung des uneingeschränkten U-Bootskrieges, da doch Wilson nur auf Kriegsgrund lauerte! Das erinnert wahrlich an Oliviers »coeur léger« und an Leboeufs »archiprêt« . Leichten Herzens, mit Papierblockade ohne U-Boote, bereit zu sein! Nagende Nervosität verlockte dazu mit der irrigen Überzeugung, daß man so England auf die Knie zwingen werde. Welcher Mangel an Geschichtskenntnis, die dem Staatsmann wie dem Militär das tägliche Brot sein müßte! Kontinentalsperre schuf einst England schwere Beklemmung; es wollte auch Anfang 1812 Frieden machen (Talleyrands Memoiren), doch stellte immer noch unerfüllbare Bedingungen und sein Friedenswille fiel sofort um beim geringsten Steigen seines Barometers. Das Volk hat im »freien« England nichts zu sagen, die Herrschende Jingo-oligarchie bleibt unerbittlich und erbarmungslos folgerichtig im Durchhalten ihrer Imperialziele. Die »Times« bekannte schon früh offenherzig, man fechte nicht »für Belgien«, sondern die eigene Weltherrschaft, der Deutschland im Wege stand. Germaniam esse delendam ! ganz wie beim römischen Patriziersenat. Und diesem eisernen Willen gegenüber die deutsche Mieselsucht, die sich gegen Flotte und Kolonien sträubte, ebenso aber aus »turmhoher« Liebedienerei für den Zarismus sich mit
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