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Bisduvergisst

Bisduvergisst

Titel: Bisduvergisst
Autoren: Friederike Schmöe
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zehn Einzeltermine.
    »Ein dünnes Bändchen, Frau Laverde! Vielleicht 50 Seiten.«
    Sie hatte mich am Wickel. »Morgen? Am späten Nachmittag?«
    »Wunderbar.« Sie gab ihre Adresse durch und sagte: »Fahren Sie vorsichtig. Bis dann.«

2
    »Nein, die Landshuter Hochzeit hat noch nicht angefangen«, rief ich ins Telefon, während ich staunend die Schaufensterdekorationen der Läden betrachtete. Braut und Bräutigam als Knetfiguren, Handpuppen, Marionetten. Birken neben allen Eingängen. Die Mutigeren hatten Bambus aufgestellt. Unerträgliche Schwüle unter grauem Himmel. »Aber ich habe die Schnauze voll von Ratgebern, deswegen bin ich hier.«
    Das Fest der Landshuter Hochzeit inszenierte die Eheschließung zwischen dem bayerischen Herzog Georg dem Reichen und der polnischen Fürstentochter Hedwig, die 1475 als politische Ehe arrangiert wurde. Zwei christliche Fürstenhäuser vereint gegen die Bedrohung durch die Türken. Einem ganzen Heer von Chronisten hatte es die Nachwelt zu verdanken, dass die Umstände dieses mehrtägigen Spektakels in allen Einzelheiten überliefert waren. Besonders gut gefiel mir der Gedanke, als Landshuter Bürger eine Woche lang zechfrei aus der herzoglichen Küche versorgt zu werden. Ich dagegen hatte mir eine Portion Kasnudeln im ›Hofreiter‹ einverleibt, die mir bei der Schwüle im Magen lagen wie rostige Nägel.
    Nero antwortete irgendwas, das ich nicht verstand, weil ein Pulk Schülerinnen kreischend an mir vorbeistöckelte. In letzter Sekunde wich ich einem Schild aus, das auf die Tribünenzugänge in der Altstadt hinwies. Obwohl in drei Tagen Landshuts größtes Fest steigen würde, wirkte alles noch sehr dezent. Das mochte auch an dem seit Tagen andauernden Regenwetter liegen. Ich bog in die Altstadt ein und sagte: »Ich rufe dich später zurück!«
    Beinahe erleichtert legte ich auf. Nero Keller, mein Gefährte seit letztem Herbst, um nicht zu sagen mein Freund, das klang so pubertär, Nero hatte eine Menge gute Seiten, aber eine fehlte ihm: Er verstand mich nicht. Konnte sich in meinen Beruf nicht hineinversetzen. Ihm fehlte der Bezug zum Schreiben, obwohl er Literatur und Kunst mochte. Nein, Nero war kein Proll oder verknitterter Bürokrat, aber er schrieb nicht und so kannte er auch nicht das beruhigende, erdende Gefühl, wenn die Hand in Bewegung geriet und schrieb. Schreibend vergewisserte ich mich, dass die Welt einen Sinn hatte. Anders gelang mir das nicht.
    Irma Schwand wohnte in der Spiegelgasse, gleich hinter der Sankt-Martin-Kirche. Ich klingelte.
    Die Frau, die mir öffnete, war etwa in Julianes Alter. Allerdings weniger unkonventionell. Wo Juliane mit ihrer knabenhaften Figur Jeans trug, mit frechen Sprüchen bedruckte T-Shirts und das Haar als fransenkurzen Raspelschnitt, stand nun eine Dame vor mir: geblümtes Kleid, hochgeschlossen, mit weißem Kragen und Gemme. Perlenkette, passende Ohrstecker. Sie stand ein wenig gebeugt da, kleiner als ich, von den Jahren niedergedrückt, und lächelte mich an.
    »Frau Laverde, schätze ich? Kommen Sie herein.« Sie führte mich in eine enge, ungelüftete Wohnung mit altmodischen Möbel aus Chintz. »Es freut mich, dass Sie kommen konnten. Setzen Sie sich.« Sie machte eine energische Handbewegung, erinnerte mich dabei an eine Lehrerin, die Generationen von Kindern das Fürchten gelehrt hatte. »Befassen wir uns gleich mit dem Geschäftlichen. Ich nehme an, meine Geschichte wird Sie zwei Abende hier festhalten. Insgesamt wird sie vielleicht 50 Buchseiten in Anspruch nehmen. Die Bedingungen habe ich Ihnen ja genannt. Wie viel verlangen Sie?«
    »700 Euro pauschal«, sagte ich. »50 Prozent sind sofort zahlbar. Der Rest nach Fertigstellung.«
    »Gut.« Irma Schwand strich sich über das gewellte, sorgfältig gekämmte weiße Haar und ging zu einer Kommode, deren oberster Schublade sie einen Umschlag entnahm. »Bitte. Hier sind 1.000 Euro. Rechnen Sie den Rest als Spesen.«
    Ich nahm die nagelneuen Hunderteuroscheine heraus und sagte: »Fahrtkosten, Materialkosten und so weiter sind in die 700 eingerechnet, Frau Schwand.« Ich legte 300 auf den Tisch, den Rest steckte ich in meine Schultertasche und packte meine Geisterausrüstung aus. Ein Sony-Aufnahmegerät, digital natürlich, meinen Clairefontaine-Notizblock, einen Satz grüne Bleistifte, Stärke HB, einen Lamy-Kugelschreiber, und sah Irma Schwand an. »Erzählen Sie einfach drauflos!«, forderte ich sie auf.
    »Möchten Sie was trinken? Es ist ja mächtig warm.« Sie
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