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Bis in alle Ewigkeit

Bis in alle Ewigkeit

Titel: Bis in alle Ewigkeit
Autoren: P Daschkowa
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bitte auf. Ich habe eine Sendung für Sie.«
    »Von wem?«
    Vor der Tür raschelte es.
    »Lesen Sie die Nachricht auf Ihrem Mobiltelefon. Sie ist vor zwanzig Minuten gekommen«, sagte die dumpfe Männerstimme.
    Auf dem Weg zurück ins Zimmer warf Sofja einen Blick in den Spiegel. Der alte Bademantel ihrer Mutter hing an ihren mageren Schultern wie ein Sack an einer Vogelscheuche. Der Verband war in der Nacht auf den Hals gerutscht, die Haare hingen wirr herunter, darin klebten Wattefetzen. Das rechte Ohr war von den Alkoholkompressen gerötet und geschwollen und schälte sich. Nach ihrem Frösteln zu urteilen, hatte sie jetzt am Morgen mindestens achtunddreißig Grad Fieber. In ihrem Ohr blubberte und zog es noch immer, die ganze rechte Kopfhälfte tat weh.
    »Sehr geehrte Sofja Dmitrijewna!
Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag! Ich wünsche Ihnen Gesundheit und viel Erfolg in der Wissenschaft!
    I. S.«
    Das war die letzte Nachricht. Sie war tatsächlich vor zwanzig Minuten gekommen, also um halb elf. Drei waren davor eingetroffen.Sofja las sie nicht, klappte das Telefon zu und tappte zurück in den Flur.
    »Mach nicht auf«, flüsterte ihr Vater wieder.
    Er stand jetzt neben ihr. Seine Wangen waren gerötet. Der zarte Flaum auf seinem Kopf zitterte. Seine Augen wirkten größer und heller.
    Vor der Tür war es still.
    »He, sind Sie noch da?«, fragte Sofja.
    Keine Antwort.
    »Ich glaube, sie sind weg«, sagte Sofja zum Vater. »Ich mache trotzdem mal auf und sehe nach. In Ordnung?«
    Der Vater schüttelte erschrocken den Kopf.
    Wegen des Fiebers, der Schmerzen und des ständigen Ziehens im Ohr war alles in einen zähen trüben Schleier gehüllt, als hätte sich die Luft in der kleinen Wohnung verdichtet.
    »Wovor hast du denn solche Angst?«, fragte Sofja. »Du hast einfach schlecht geträumt.«
    »Nein«, erwiderte der Vater, »das ist kein Traum. Das ist ganz real, Sofie. Ich bitte dich, mach die Tür nicht auf.«
    »Niemals?«
    »Ich weiß nicht. Jetzt jedenfalls nicht.«
    Ein paar Sekunden standen sie schweigend da und sahen sich an.
    »Na schön. Mir ist alles egal. Ich lege mich wieder hin«, sagte Sofja. »Weißt du vielleicht, wo unser Fieberthermometer ist?«
    Der Vater trat auf sie zu und berührte mit den Lippen ihre Stirn.
    »Achtunddreißig zwei. Das Thermometer hast du gestern Nacht zerbrochen. Vergiss bitte nicht, das Quecksilber unterm Bett aufzufegen. Du weißt doch, wie schädlich es ist.«
    »Gut. Und wo ist der Besen?«
    »Im Auto. Du hast damit Schnee abgefegt und ihn im Kofferraumgelassen. Einen zweiten Besen haben wir nicht. Aber untersteh dich, ihn holen zu gehen. Es ist Schneesturm und sehr kalt. Quecksilber kann man auch mit einem feuchten Lappen aufwischen. Ich würde es selbst tun, aber …«
    Im Zimmer zwitscherte das Mobiltelefon. Noch eine Nachricht. An der Tür klingelte es, diesmal so durchdringend laut, dass Sofja zusammenzuckte.
    »Sofie, bist du zu Hause? Schläfst du etwa?«
    Diese Stimme war unverkennbar. Ein rollender, körniger Bass, den man fast täglich bei einem unpopulären privaten Fernsehsender aus dem Off hören konnte. Ihr Vater schaltete immer diesen Sender ein, eigens um zu hören, wie der Trinker Nolik mit seinem autoritären Bass Tabletten zur Behandlung von Alkoholismus anpries oder der dicke Nolik von den neuesten Methoden blitzschnellen Abnehmens berichtete.
    Seine untreue Ehefrau hatte Nolik vor einem Jahr verlassen. Danach hatte er abendelang bei den Lukjanows in der Küche gesessen und erklärt, sein Leben sei zu Ende.
    »Sofie, ich bin’s! Mach auf!«
    Noliks Bass klang munter und fröhlich. Sofja dachte, dass es offenbar sehr schlecht um ihn stand. Früher hatte er morgens nicht getrunken. Sie brauchte eine ganze Weile für die Türschlösser. Ihr Vater harrte neben ihr aus und schwieg angespannt. Endlich öffnete sie die Tür.
    »Miau, miau!«, sagte Nolik.
    Sein rundes Gesicht strahlte. Wenn er betrunken war, miaute er immer. Doch statt Alkoholdunst schlug Sofja der intensive Duft frischer Blumen entgegen. Nolik hielt einen riesigen Rosenstrauß unterm Arm. Die dunkelroten, fast schwarzen festen Blüten waren mit Wassertropfen übersät.
    »Herzlichen Glückwunsch.« Er trat über die Schwelle und reckte die Lippen nach Sofjas Wange.
    »Bist du übergeschnappt?«, fragte Sofja und verzog wegen einer neuen Schmerzattacke im Ohr das Gesicht.
    »Leider verbietet meine angeborene Ehrlichkeit mir das Lügen«, seufzte Nolik und reckte die Unterlippe vor.
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