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Bis in alle Ewigkeit

Bis in alle Ewigkeit

Titel: Bis in alle Ewigkeit
Autoren: P Daschkowa
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Enkel oder Urenkel. Grigori war nach der Operation fast kahl.«
    »War er. Aber nun ist das Fell nachgewachsen.«
    »So schnell?«
    »In einem Monat. Das ist normal.«
    »Und die Farbe des neuen Fells ist dieselbe wie früher, mit demselben Pentagramm am Hals?«
    »Wie du siehst.«
    »Grigori muss eine Narbe auf dem Kopf haben. Wo ist sie? Da ist keine Narbe.«
    Tanjas Hand im schwarzen Medizinerhandschuh drehte die Ratte vorsichtig auf den Bauch. Der Professor nahm eine große Lupe und strich das dichte, glänzende Fell auf dem Scheitel der Ratte beiseite.
    »Da ist die Narbe. Ganz klein.«
    »Papa, hör auf!« Tanja schüttelte den Kopf. »Die Wunde kann nicht so schnell verheilt sein, und auch das Fell kann nicht so schnell gewachsen sein. Du bist doch kein Alchemist, kein mittelalterlicher Magier, kein Doktor Faustus! Du weißt genau, dass das Unfug ist. Man wird dich auslachen. Eine siebenundzwanzig Monate alte Ratte kann nicht so aussehen, das ist unmöglich! Siebenundzwanzig Monate sind für eine Ratte wie neunzig Jahre für einen Menschen.«
    »Na, na, was schreist du so? Warum bist du so erschrocken, Tanja?« Der Professor streichelte seiner Tochter die Wange. »Einem alten Ratz ist ein neues, junges Fell gewachsen. Und die Augen sind wieder rosa. Das kommt vor.«
    »Das kommt vor?«, rief Tanja, riss sich die Handschuhe herunter und schleuderte sie in die Ecke. »Papa, ich glaube, du hast den Verstand verloren! Du hast doch selbst immer gesagt, dass die biologische Uhr nie rückwärts geht.«
    »Schrei nicht so. Hilf mir lieber, ihm Blut für den Test abzunehmen, solange er schläft, und überleg dir, wie wir den Käfigdeckel so befestigen können, dass er nicht wieder rausspringt.«
    Der Professor hielt bereits eine kleine Stahlfeder und ein sauberes Reagenzglas in der Hand. Tanja drehte ihr Haar rasch zu einem Knoten, band sich ein Kopftuch um, zog es sich tief in die Stirn und streifte saubere Handschuhe über. Dabei sagte sie nervös: »Er ist am 1. August 1914 geboren. Ein denkwürdiges Datum – da begann der Krieg. Er hat als Einziger aus seinem Wurf überlebt. Er war schwach, aber aggressiv.«
    »Genau, aggressiv«, murmelte der Professor glücklich blinzelnd.
    Ein Tropfen Rattenblut rollte in das Reagenzglas. Tanja trug den schlafenden Ratz zum Käfig zurück und spürte durch den Handschuh hindurch das Pulsieren des weichen Körpers. Einen Augenblick lang hatte sie das Gefühl, kein Labortier in der Hand zu halten, sondern ein seltsames Geschöpf, das nicht von dieser Welt war. Sie warf einen Blick auf ihren über das Mikroskop gebeugten Vater. Durch seine grauen Igelstoppeln schimmerte eine rosa Glatze. Grigori bewegte die Pfoten. Die Wirkung des Äthers ließ nach. Tanja setzte den Ratz in den Kasten auf die Sägespäne und beschwerte den Deckel mit dem Marmorfuß einer Tintengarnitur.
    »Wirst du ihn obduzieren?«, fragte Tanja, während sie Handschuhe und Kopftuch ablegte.
    Sie musste die Frage noch einmal laut wiederholen. Ihr Vater klebte am Mikroskop.
    »Wie? Nein, ich will ihn noch eine Weile beobachten. Sag Bescheid, sie sollen den Samowar aufsetzen. Was ist, bist du festgewachsen? Geh, sonst kommst du zu spät ins Gymnasium.«
    »Papa!«
    »Was denn, Tanja?«
    »Sag mal, hast du das bewusste Eiweiß isolieren können?«
    »Ich weiß nicht. Wahrscheinlich nicht.«
    »Warum dann?«
    Der Professor hob endlich den Kopf vom Mikroskop und sah seine Tochter an.
    »Es ist alles ganz einfach, Tanja. Er hat Diät gehalten, sich aktiv bewegt. Der Käfig steht näher am Fenster als die anderen, das Lüftungsfenster ist immer offen, er hatte viel frische Luft.«
    »Papa, hör auf! Du hältst auch Diät und hast viel frische Luft!«
    Der Professor antwortete nicht. Er beugte sich wieder über das Mikroskop. Tanja verließ das Labor und schloss leise die Tür.
Moskau 2006
    Im Flur läutete hartnäckig die Klingel. Auf dem Nachttisch meldete das Mobiltelefon zwitschernd, dass eine Nachricht eingetroffen sei. Sofja wachte auf und erblickte ihren Vater. Er saß auf der Bettkante, den Finger auf den Lippen, und schüttelte den Kopf.
    »Mach nicht auf«, flüsterte er, »mach auf keinen Fall auf.«
    Sofja stand auf, warf sich einen Bademantel über den Pyjama und tappte barfuß in den Flur. Ihr Vater blieb sitzen und sagte nichts mehr, schaute ihr nur mit traurigem Kinderblick nach.
    »Sofja Dmitrijewna Lukjanowa?«, fragte eine Männerstimme vor der Tür.
    »Ja«, krächzte Sofja und hustete.
    »Machen Sie
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